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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Hauses, der vielerlei Verwendung fand. Er diente als Eß-, Schreib- und Arbeitstisch, und bisweilen mußte er auch als Bügeltisch herhalten, wenn Carter einen seiner Anzüge, für deren Reinheit normalerweise im »Luxor«-Hotel gesorgt wurde, selbst aufbügelte. Howard überlegte. Er ging die Begegnung mit Evelyn noch einmal vor seinem geistigen Auge durch und suchte in der Erinnerung nach einem Hinweis in ihrem Verhalten, aus dem er schließen konnte, daß auch sie für ihn mehr empfand als Sympathie. Aber sosehr er sich jede Einzelheit vergegenwärtigte, seine Enttäuschung wuchs und ebenso der Gedanke, das Mädchen könnte ihn nur als liebenswerten Sonderling betrachten – nicht mehr.
    Da entschloß sich Howard zu einem Schritt, der besser als alles andere geeignet ist, Schüchternheit zu überwinden. Er schrieb einen Brief, genauer gesagt, er unternahm den Versuch, einen Brief zu schreiben, denn ein geschriebener Brief verfolgt gemeinhin den Zweck, daß er seinen Adressaten auch erreicht.
    Zehn wohlformulierte Zeilen zu Papier zu bringen, nahm beinahe die halbe Nacht in Anspruch, wobei Howard schon mit der Anrede größte Schwierigkeiten hatte, weil »Mein verehrtes Fräulein« seiner Gefühlslage ebenso fremd erschien wie »Geliebte Eve«. Nach einem halben Dutzend unbrauchbarer Versuche, bei denen Schüchternheit und Wagemut im Widerstreit lagen, fand Carter schließlich einen angemessenen Kompromiß, der alle liebevollen Gefühle beinhaltete und doch eine gewisse Zurückhaltung zeigte. Howard schrieb: »Meine kleine Eve!«
    Lange stand diese Anrede einsam auf einem weißen Blatt Papier, bis Carter zu erzählen begann, wie sehr ihn ihre Begegnung am inzwischen vergangenen Tag beeindruckt hatte. Ihre Schönheit, ließ er Evelyn wissen, habe ihn bezaubert, und wenn er, Howard, nicht schon ein gewisses Alter erreicht hätte, würde er sich glücklich schätzen, ihr den Hof zu machen.
    Vertieft in schöne Gedanken, den Blick zur Türe gerichtet, machte Howard plötzlich eine seltsame Beobachtung. Lautlos und langsam bewegte sich die Türe nach innen, so als träte ein unsichtbarer Geist ein. Unerwartet und geräuschlos, wie es geschah, fand Carter nicht einmal Gelegenheit zur Furcht. Und während er gebannt zur Tür starrte, während er die Feder lautlos zur Seite legte, erschien in dem Spalt, der sich gerade geöffnet hatte, die große weiße Katze Bastet, die er vor zwei Tagen aus dem Haus gejagt hatte.
    Das hatte ihm längst leid getan, weil ihm seither in seinem Haus jede Ansprache fehlte. Trotzdem fiel Carters Begrüßung eher unfreundlich aus: »Hast wohl Hunger, altes Katzenvieh!«
    Die große weiße Katze schenkte Howards Worten keine Beachtung. Stolz, den buschigen Schwanz senkrecht nach oben gerichtet, schritt Bastet quer durch den Raum, tat einen Satz auf den Ohrensessel in der Ecke und rollte sich nach Katzenart zu einem flauschigen Bündel ein. Ausdruckslos blinzelte sie Carter zu.
    »Ich weiß schon, daß du keine bessere Futterstelle findest«, bemerkte Howard und erhob sich, um aus dem fensterlosen Vorratsraum etwas zum Fressen zu holen. Vorzugsweise ernährte sich Carter aus Konserven, die er kistenweise aus England bezog. Sein Vorrat umfaßte aber auch ganze Säcke von Reis, Trockenbrot in Dosen, getrocknete Erbsen und Bohnen, genug für ein halbes Jahr.
    Mit einer Heringskonserve kehrte Carter zurück, richtete den Inhalt auf einem Schüsselchen an und stellte ihn vor den Stuhl hin, auf dem es sich Bastet bequem gemacht hatte. Dann nahm er wieder am Tisch Platz, um seinen Brief zu vollenden. Hatte es ihn vorher schon große Mühe gekostet, die passenden Worte zu finden, so verwirrte ihn Bastets Anwesenheit nun noch mehr. Howard fühlte sich beobachtet wie ein Student bei der Prüfungsarbeit, weil die Katze in unregelmäßigen Abständen ihre Augen schloß und wieder öffnete und ihm einen unerklärlichen Blick zuwarf.
    »Nun nimm schon deinen Fisch. Nur für dich habe ich die Konserve geöffnet!« rief Carter zu Bastet hinüber.
    Aber die zeigte nicht die geringste Regung.
    »Bist wohl zu stolz. Auch gut. Wenn dein Stolz größer ist als dein Hunger, mußt du eben darben.«
    Mitternacht war schon vorüber, und Carter fielen die Augen zu, da hatte die große weiße Katze den Fisch noch immer nicht angerührt. Allmählich durchzog ein unangenehmer, säuerlicher Gestank den Raum, wie ihn nur Heringe verbreiten. Und weil er zu müde war, um seinen Brief zu vollenden, erhob sich Howard, faltete das

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