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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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gewonnen, aber die großen Sieger sind wir bei Gott nicht! Das englische Pfund befindet sich auf Talfahrt. Wir steuern einer handfesten Inflation entgegen. Das Personal in Highclere Castle verschlingt Unsummen. Meine Ausgaben für das Unternehmen Tut-ench-Amun betragen bis zum heutigen Tag mehr als 50000 Pfund. 50000 Pfund, Mr. Carter! Haben Sie eine Vorstellung, was ich mit dieser Summe hätte anfangen können?«
    Carter brachte kein Wort hervor. Er schämte sich. Er schämte sich, obwohl er das Geld Seiner Lordschaft weder verschwendet noch leichtsinnig durchgebracht hatte. Er hatte nur an etwas geglaubt, was es offensichtlich nicht gab. Glauben heißt hoffen, und Howards Hoffnung war zusammengestürzt wie ein Kartenhaus.
    »Deshalb bitte ich Sie«, nahm Carnarvon seine Rede wieder auf, »Ihre Arbeiten mit dem heutigen Tag einzustellen. Das Finanzielle werde ich in den nächsten Tagen über die Provinzbank von Luxor abwickeln.«
    Kaum hatte der Lord ausgeredet, da huschte ein Schatten durch den Raum, und man vernahm ein solch abscheuliches Fauchen, daß Carnarvon, der gewiß nicht schreckhaft war, erschrak und verdutzt fragte: »Haben Sie hier Gespenster, Mr. Carter?«
    Howard blickte zur Türe, wo der Schatten verschwunden war, und meinte: »Das war Bastet, meine Göttin des Hauses. Irgend etwas scheint ihr an Ihrer Rede nicht gefallen zu haben. Sie benimmt sich sonst äußerst friedfertig.«
    »So, so«, meinte Lord Carnarvon verunsichert und wandte ebenfalls den Blick zur Tür, »Ihre Göttin des Hauses. Ich will Ihnen ja nicht zu nahetreten, Mr. Carter, aber ich könnte mir vorstellen, daß Ihnen ein längerer England-Aufenthalt nicht schaden würde.«
    Da fuchtelte Howard mit beiden Händen in der Luft herum, und erregt rief er: »Bloß das nicht. England ist nicht mehr mein Land. Ich lebe hier, und ich sterbe hier. Mein Auskommen werde ich schon finden, Mylord!«
    Lord Carnarvon rümpfte die Nase über so wenig Vaterlandsliebe, schließlich meinte er entrüstet: »Mr. Carter, in England leben zu dürfen ist eine Gnade wie ein Adelstitel von Seiner Majestät, dem König. Allein durch seine Abstammung ist jeder Engländer geadelt. Sie sollten sich dieser Tatsache bewußt sein.«
    Howard hob die Schultern und bemerkte gleichgültig: »Na gut, wenn Sie meinen, Mylord. Aber was nützt mir Adel, wenn ich nicht weiß, wovon ich leben soll. Wenn Sie erlauben, ich bin lieber satt als adelig.«
    Lord Carnarvon sprang auf. Der Zorn über Carters Worte stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er wollte antworten, Howard zurechtweisen, doch dann zog er es vor zu schweigen. Ohne ein Wort standen sich die beiden Männer gegenüber: der Lord, der keinen Widerspruch duldete, schon gar nicht von einem, für dessen Lebensunterhalt er seit fünfzehn Jahren aufkam, und Carter, der mit Stolz und Würde auf seiner Meinung beharrte.
    Endlich beendete der Lord das peinliche Schweigen und sagte: »Also dann, alles Wesentliche ist gesagt, Mr. Carter. Leben Sie wohl.«
    Mißmutig und mit einem Ausdruck der Verachtung beobachtete Carter, wie Lord Carnarvon sein Pferd bestieg und davonritt. Er wandte sich um und blickte hinüber zum Tal der Könige, diesem verfluchten, karstigen Landstrich, der ihm zum Schicksal geworden war, und er wußte, daß er sein ganzes Leben nicht davon loskommen würde.
    Gegen Mittag näherten sich vom Tal her zwei Gestalten. Aus der Ferne erkannte er Sayyed an seinem stolzierenden Gang. In seiner Begleitung befand sich Evelyn. Um nicht entdeckt zu werden, hatte er sie über den Saumpfad von Der-el-Bahari geführt. Als Evelyn ihm schon von weitem zuwinkte, lief Carter den beiden entgegen.
    Ungestüm fielen sich Howard und Evelyn in die Arme, und Sayyed, der sich verlegen zur Seite wandte, ging unbemerkt allein seines Weges.
    Da war es wieder, dieses wohlige Gefühl, das jede von Evelyns Berührungen bei Howard verursachte. Sein Gemütszustand, eben noch der Schwermut und Verzweiflung nahe, veränderte sich im Augenblick. Vergessen war seine mißliche Lage, ja sogar die Verachtung, die er noch kurz zuvor für den Lord empfunden hatte.
    »Howard!« stammelte Evelyn, während sie, auf Zehenspitzen stehend, seinen Kopf zwischen beide Hände nahm und küßte. »Du hast mir einen so schönen Brief geschrieben. Ich liebe dich, Howard!«
    Die Selbstverständlichkeit, mit der sie das sagte, versetzte Carter in noch größere Unruhe. Als sie von ihm abließ, entdeckte Howard einen Vogelkäfig zu ihren Füßen mit einem kleinen

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