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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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einem zornigen Gesichtsausdruck trat der Lord ganz nahe an Spink heran, und mit gepreßter Stimme, die das ganze Ausmaß seiner Wut erahnen ließ, zischte er: »Spink, ich habe eine schlechte Eigenschaft, ich kann nicht verlieren. Sie mögen sich in Sicherheit wiegen, aus diesem Duell als Sieger hervorgegangen zu sein. Aber das ist ein verhängnisvoller Irrtum. Ich gebe Ihnen eine Woche Zeit, Ihre Tat einzugestehen und mir den Erlös aus dem Schatz zurückzuzahlen. Andernfalls…«
    »Andernfalls?« Spink verschränkte provozierend die Arme über der Brust und reckte, um größer zu erscheinen, das Kinn in die Höhe. »Andernfalls?«
    »Andernfalls werde ich Sie zerquetschen wie eine Schmeißfliege, Spink!« Carnarvon rieb seinen rechten Daumen auf der geballten Faust, dann wandte er sich um und verschwand grußlos.
    Für ein paar Sekunden stand Robert Spink fassungslos da, dann faßte er sich und rannte humpelnd dem Lord hinterher. Vor dem Eingang zum Haus packte er ihn strauchelnd am Ärmel. Carnarvon wehrte sich; aber wie ein Jagdhund, der sich in die Beute verbissen hat, ließ Spink nicht locker, und wütend rief er: »Sie oder ich!«
    Auf dem Rückweg ins Hotel überlegte Carnarvon, was Spink wohl gemeint haben könnte.
     
     
    »Mr. Howard Carter, Tal der Könige, Ägypten.«
    Körbe von Briefen mit dieser Adresse erreichten Howard in diesen Tagen: Glückwünsche, Ratschläge, Einladungen, nicht wenige Heiratsanträge begüterter Witwen. Er fand kaum Zeit, die eingehende Post zu sichten. Und so hätte Carter beinahe den Brief seiner Schwester Amy übersehen.
    Anders als zu den meisten seiner Geschwister unterhielt Howard zu Amy ein herzliches Verhältnis. Wie er hatte sich Amy in jungen Jahren Bilder malend durchgeschlagen, bis sie den Londoner Verleger John Walker kennenlernte, einen gutaussehenden Mann mit tadellosen Manieren. Obendrein hatte er Geld. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor, Phyllis mit Namen, äußerst hübsch anzusehen und der Schwarm vieler junger Männer. Getrübt wurde ihr einnehmendes Äußeres allerdings durch eine Eigenschaft, welche auffallend hübschen Töchtern nicht selten zueigen ist. Phyllis war recht launisch, und manchmal schien es, als könnte sie sich selbst nicht leiden.
    In dem Brief, den Howard unter vielen anderen fand, kündigte Amy eine Ägyptenreise mit ihrem Mann und Tochter Phyllis an. Sie sei stolz auf ihren berühmten Bruder und hoffe, er würde für sie etwas Zeit aufbringen. Um den 17. Februar herum würden sie eintreffen.
    Für ihre Ankunft hatten sich John und Amy Walker einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt ausgewählt. In Kairo mußten sie erfahren, daß an dem gewünschten Termin alle Transportmöglichkeiten nach Luxor ausgebucht waren, weil Mr. Howard Carter die letzte Wand im Grab des Pharaos öffne. Weder Bakschisch noch gute Worte konnten etwas ausrichten. Auch der Hinweis auf die nahe Verwandtschaft mit Carter vermochte die Herren von Cook & Son nicht umzustimmen. Zu viele, hieß es, hätten bereits geltend gemacht, Bruder, Schwester, Ehefrau, Sohn und Tochter des Ausgräbers zu sein.
    In Luxor herrschte an diesem milden Frühlingsmorgen gespannte Unruhe. Obwohl Carter mit Anschlägen in den großen Hotels bekanntgegeben hatte, daß nur eine Handvoll geladener Gäste, Regierungs- und Behördenvertreter und ausgewählte Archäologen, Zutritt zur Vorkammer des Grabes erhalten würden, wand sich seit Tagesbeginn ein nicht enden wollender Menschenstrom vom Nil zum Tal der Könige, das an diesem Tag in weitem Umkreis abgesperrt war. Tausende wollten sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, wenn nicht Augenzeuge zu sein, so doch die Nähe des einmaligen historischen Ereignisses zu spüren.
    Carter hätte an diesem denkwürdigen Tag ein Vermögen einstreichen können für die Erlaubnis, Augenzeuge der Wandöffnung zu werden. Auf dem Weg von seinem Haus, wo er die Nacht verbracht hatte, zum Grab des Pharaos wurde er von Amerikanern, Franzosen und Schweizern bestürmt. Mehrere Männer reichten ihm Blankoschecks. Frauen fielen in Ohnmacht, als er die Briefe, die sie ihm verstohlen zuzustecken versuchten, mit einem Lächeln zurückwies.
    Im Innern des Grabes glich die Szene einer Stummfilmvorführung in einem Kinematographentheater. Etwa dreißig Klappstühle waren aufgestellt, auf denen die Auserwählten schweigend ausharrten. In der ersten Reihe Lord Carnarvon und Tochter Evelyn. Keiner, nicht einmal die Archäologen, denen ähnliche Situationen nicht fremd

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