Der König von Luxor
unerträglich, und der Lord, gewöhnt an die Ruhe im »Winter Palace« – von Highclere Castle ganz zu schweigen –, fand kaum Schlaf. Vielleicht hinderten ihn aber auch die unterschiedlichen Pläne, die ihm nachts durch den Kopf schossen, am Einschlafen.
Carnarvon war sicher, daß sich Spink in der Stadt aufhielt, und er wollte ihn stellen. Bei Tagesanbruch machte er sich auf den Weg, um in den Hotels in Hafennähe nach ihm zu suchen. Nach erfolgloser Befragung von mehr als einem Dutzend Hotelportiers und der Verschwendung ebenso vieler Pfundnoten als Bakschisch wurde Carnarvon unruhig. Er mußte befürchten, daß Spink ihm mit der kostbaren Ladung entwischte. Deshalb begab er sich zur Hafenbehörde, um sich nach einem Schiff zu erkundigen, welches, von Arabien kommend, in Suez festgemacht habe, um seine Ladung zu löschen.
Das hektische Durcheinander, welches in Suez allgegenwärtig schien, machte auch vor der Hafenbehörde nicht halt, und so kam es, daß Lord Carnarvon, trotz bereitwilligen Entgegenkommens zahlloser Beamter in verschiedenen Büros, einen vollen Tag brauchte, um zu der Überzeugung zu gelangen, daß keines der gemeldeten Schiffe für den Transport seines Schatzes in Frage kam. Entmutigt faßte Carnarvon den Entschluß, am nächsten Morgen die Rückreise nach Luxor anzutreten.
Bei einem bescheidenen Abendessen im Hotel kam er mit dem Besitzer, einem gewissen Al-Ballas, ins Gespräch, der ihn nach dem Grund seiner Reise fragte. Freiwillig, meinte Al-Ballas, verbringe kein vernünftiger Mensch seine Zeit in Suez, es sei denn, wichtige Geschäfte führten ihn hierher. Da berichtete der Lord alias Mr. Reeves – natürlich gab er sich nicht zu erkennen –, daß er hinter einem Gauner her sei, der ihn um mehrere Kisten mit elektrischen Pumpen betrogen habe und vermutlich mit dem Diebesgut auf dem Weg nach Amerika sei.
Wie der Gauner heiße, wollte Al-Ballas wissen.
»Robert Spink!« antwortete Carnarvon bereitwillig.
»Spink?« fragte der Hotelbesitzer zurück. »Ein Hinkefuß, der ein Bein nachzieht?«
Lord Carnarvon wurde hellhörig. »Ja«, erwiderte er verblüfft.
»Ein hinkender Mr. Spink hielt sich zwei Tage hier im Hotel auf. Er reiste gestern ab, nein, es war vorgestern. Wenn ich mich recht erinnere, wartete er auf ein Schiff der Transatlantic Shipping Company.«
Ein Anruf im Reedereibüro der TSC zerstörte Carnarvons letzte Hoffnung, Spink den Schatz doch noch abjagen zu können: Die »North-Atlantic« der TSC hatte den Suezkanal bereits durchfahren und befand sich im Mittelmeer.
K APITEL 30
Wer glaubte, der Rummel um das Grab des Pharaos und seinen Entdecker habe seinen Höhepunkt erreicht, sah sich getäuscht. Unter dem Druck Arthur Mertons und Hunderter Journalisten, die die Berichte der Times widerwillig – es blieb ihnen kaum etwas anderes übrig – nachdruckten, war Carter gezwungen, beinahe täglich irgendein berichtenswertes Ereignis zu liefern. Blieb es aus, widmeten sich die Reporter den Berühmtheiten, die den Weg ins Tal der Könige suchten und zu allerlei Klatsch Anlaß gaben.
Inzwischen hatte Howard Carter die zweite, kleine Vorkammer des Grabes geöffnet und weitere kostbare Schätze geborgen. Was aber verbarg sich hinter der rechten Wand, deren zugemauerter Eingang von zwei lebensgroßen Wächtern aus Ebenholz bewacht wurde? Lag dahinter Pharao Tut-ench-Amun in einer goldenen Hülle begraben, so, wie man es bisher nur auf Wandmalereien gesehen hatte?
Am 17. Februar, so hatte Carter verkündet, werde er die Mauer, hinter der er die Mumie des Pharaos vermutete, aufbrechen. Die Meldung, von Merton in der Times verbreitet, löste eine Hysterie unvorstellbaren Ausmaßes aus. Schiffspassagen und Eisenbahnfahrkarten waren schon Tage vorher ausgebucht. Für ein Hotelzimmer, selbst eine Besenkammer in Luxor wurden horrende Preise verlangt und bezahlt. In den Dörfern am jenseitigen Nilufer, in el-Kurna und Der-el-Bahari, wurden eilends Hütten aus dem Boden gestampft und primitive Zelte aus Stoffbahnen aufgestellt. Findige Fellachen richteten Imbißbuden ein, brieten Hammel am Spieß und verkauften Kebab in Fladenbrot. Durch das Tal der Könige zog der tranige Geruch von altem Fett und der beißende Gestank von Knoblauch. Karawanen mit Eseln, Maultieren und Kamelen bewegten sich von früh bis abends auf den unbefestigten Wegen, die vom Nilufer zu den landeinwärts gelegenen Dörfern führten. Auf Kamelrücken wurden Betten, Schränke, Polsterstühle, sogar
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