Der König von Luxor
denen er fünf in einer Reihe vor Harold Sands ausbreitete.
Der Zollkontorvorsteher ordnete die Banknoten so, daß alle mit dem Bildnis Queen Victorias nach oben zeigten. Schließlich musterte er jeden einzelnen Geldschein mit zusammengekniffenen Augen, dann erhob er sich und rief mit seiner lauten, hohen Stimme: »Polizei! Bitte rufen Sie sofort die Polizei!«
In Sorge um den guten Ruf seines Hauses eilte Mr. Hazelford herbei und versuchte Sands zu beschwichtigen. »Was ist geschehen?« zischelte er atemlos. »Ich werde alles in Ordnung bringen, Sir.«
Sands zeigte mit dem Finger auf Owen: »Dieser junge Mann hat mich beraubt und um mein Reisegeld gebracht, sechs Guineen und zwei Shilling«, erwiderte er aufgebracht.
»Das ist eine Verleumdung, Sir. Das lasse ich mir nicht bieten!« erwiderte Owen und warf seinem Vater einen hilfesuchenden Blick zu.
Mr. Hazelford wirkte verunsichert: »Sir, Sie werden Ihre Behauptung beweisen müssen. Bei welcher Gelegenheit soll das passiert sein?«
»Gestern, als wir in unser Zimmer zurückkehrten, fanden wir Gepäck und Kleidung durchwühlt. Mein Reisegeld, das ich in einer Geheimtasche eines Kleidungsstückes aufbewahre, war geraubt.«
»Und das in meinem Haus!« Mr. Hazelford schlug beide Hände zusammen wie zum Gebet. »Wie konnte es dazu kommen! Einbrecher in meinem Haus!«
Sands schüttelte den Kopf. »Eher unwahrscheinlich. Die Türe zu unserer Kammer war versperrt und nicht beschädigt, als wir zurückkehrten. Einbrecher hätten Spuren hinterlassen.«
Hazelfords Miene verfinsterte sich. »Wenn ich Sie recht verstehe, Sir, dann bezichtigen Sie meinen Sohn Owen des Diebstahls.«
»Ganz recht, Mr. Hazelford, und ich kann es beweisen.«
Owen verschränkte die Arme vor der Brust, als wollte er sagen: Da bin ich aber gespannt. Als jedoch Sands mit seiner Erklärung begann, ließ er die Arme sinken, und sein Gesicht wurde lang und länger.
»Wie ich schon sagte, pflegt ein Zollkontorvorsteher von Berufs wegen mit allerlei Gaunern Umgang. Trotz ihrer verachtenswerten Haltung kann man aber auch von ihnen lernen. So ist es in diesen Kreisen üblich, Geldscheine, die man in der Tasche trägt, mit einem ganz bestimmten Tintenstrich, einer Zahl oder einem einzigen Buchstaben zu kennzeichnen. Auf diese Weise kann ein Geldschein aus persönlichem Besitz nie in der anonymen Masse namenloser Geldscheine verschwinden. Diese Gaunergepflogenheit habe ich mir zu eigen gemacht. Sehen Sie, Mr. Hazelford, diese sechs Pfundnoten hat Ihr Sohn Owen eben aus seiner Tasche gezogen. Alle sechs tragen an der unteren rechten Ecke ein Initial ›S‹. Bedarf es noch weiterer Erklärungen?«
Hazelford war gut einen Kopf kleiner als sein Sohn Owen; doch angesichts der Erklärung von Harold Sands schien es, als wüchse der untersetzte Mann dem Sohn über den Kopf. Sein Gesicht färbte sich bläulich, und an den Schläfen traten dunkle Adern hervor. Er faßte den Jungen beim Schopf, beutelte ihn wie einen Mehlsack und rief mit gepreßter Stimme: »Du Hund wagst es, den guten Ruf deines Vaters so in den Schmutz zu ziehen? Bestiehlst Gäste, als littest du Not?
Habe ich dir nicht jeden Wunsch erfüllt, der geeignet war, dir eine glückliche Kindheit zu bescheren? Lebst du nicht besser und sorgenfreier als andere deines Alters? Du verfluchter Hund!«
Nach jedem einzelnen Satz zerrte Hazelford den Kopf seines Sohnes zu sich herab, daß der vor Schmerz aufschrie, bis der Vater endlich von seinem Sohn abließ.
»Sir, ich bitte Sie aufrichtig um Vergebung!« stammelte er an Harold Sands gewandt. »Aber man kann sich seine Söhne nicht aussuchen.«
Plötzlich hielt Hazelford inne. Seinem Sohn, der zusammengesunken vor ihm stand, warf er einen verächtlichen Blick zu. Dann fragte er leise, aber in drohendem Tonfall: »Könnte es vielleicht sein, daß mein hoffnungsvoller Herr Sohn auch Miss Jones um ihr Vermögen gebracht hat?«
»Nein!« rief Owen, noch ehe Hazelford geendet hatte. »Nein, damit habe ich nichts zu tun, bestimmt nicht!«
Aber schon klatschte die Rechte des kleinen Mannes in das Gesicht des Jungen. Ein zweites, ein drittes Mal.
»Ja, ich war’s«, rief dieser schließlich, »ich habe das Geld von Miss Jones genommen. Aber ich habe es nicht für mich getan!«
»Für wen dann?« Zum wiederholten Mal landete eine heftige Ohrfeige in Owens Gesicht. »Für wen dann?« wiederholte Hazelford wutentbrannt.
»Spink!« erwiderte Owen, er heulte wie ein kleiner Junge. »Robert Spink hat
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