Der König von Luxor
verlangt, daß ich für ihn Geld stehle.«
»Wofür? Seine Familie ist die reichste in ganz Swaffham!«
»Ich weiß es nicht. Gewiß nicht aus einem Bedürfnis. Spink betrachtet jede Gesetzesübertretung als Spaß, als eine Art Nervenkitzel.«
»Und du warst so dumm, den Anordnungen dieses Gauners zu folgen!«
Owen hob die Schulter. »Er beschimpfte mich als Waschlappen und drohte, mich vor allen anderen lächerlich zu machen. Ich hatte Angst.«
Hazelford sah Sands von der Seite an. »Was soll man dazu sagen? Eine Statur wie ein Kleiderschrank, aber ein Hirn wie ein Maikäfer.
Sir, Sie können jetzt natürlich Anzeige erstatten. Aber ich bitte Sie inständig zu bedenken, daß Sie mich damit ruinieren.« Dann nahm er Haltung an und verneigte sich vor dem Zollkontorvorsteher wie ein Diener im Buckingham Palace.
Sands begann die Scheine einzusammeln, sechs Pfundnoten mit einem »S« in der rechten unteren Ecke. »Fehlen noch zwei Shilling«, bemerkte er trocken und ohne aufzusehen.
Da bohrte Hazelford heftig in seiner Hosentasche und legte zwei Shilling auf den Tisch. Sands nahm sie und ließ sie zusammen mit den Pfundnoten in der Innentasche seiner Jacke verschwinden. Eher beiläufig bemerkte er: »Ich habe mein Geld zurück. Damit ist die Angelegenheit für mich erledigt.« Und weil Sands gewohnt war, einen kühlen Kopf zu behalten, wann immer es um Geld ging, fügte er hinzu: »Ich darf wohl annehmen, daß meine Frau und ich heute nacht Ihre Gäste waren.«
Hazelford verneigte sich noch zweimal und noch tiefer als beim erstenmal und erwiderte mit großer Höflichkeit: »Sir, es war mir eine Ehre!«
Also Spink, dieser gottverdammte Robert Spink!
Nachdem Howard Carter von dem Vorfall erfahren hatte und davon, daß Spink hinter dem Diebstahl von Miss Jones’ erspartem Vermögen steckte, sann er auf Rache. Von dem Geld konnte Owen gerade noch sechzig Pfund herbeischaffen. Den Rest ersetzte Mr. Hazelford. Wie nicht anders zu erwarten, stritt Spink jede Beteiligung an dem verwerflichen Bubenstück ab. Er behauptete, Owen kaum zu kennen, im übrigen pflege er keinen Umgang mit Schankburschen und anderem Pöbel.
Der Unfall mit dem selbstkonstruierten Schmetterling hatte bei Howard keine Spuren hinterlassen, sah man einmal davon ab, daß er seither von dem Gedanken beseelt war, noch einmal so zu stürzen und in den Armen von Miss Jones zu erwachen. Während der Schulstunden dachte er an nichts als an ihre Brüste, an die Wärme, die von ihnen ausging, und daran, wie sie wohl aussehen würden unter der Rüschenbluse. Derlei weibliche Anatomie war ihm nur aus Abbildungen im Geographie Magazine geläufig, wo einmal Negerfrauen aus Sansibar, bar jeder Kleidung, zu sehen waren, und aus einem Buch über den Louvre, welches nackte Frauengestalten zeigte, die aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammten. Das war lange her, und bei Miss Jones war gewiß alles ganz anders.
Ihr Angebot, sich in der Bibliothek der Dame-School wissenschaftlichen Studien über die Aviation hinzugeben, kam Howard gerade recht, bot es doch die Möglichkeit, Miss Jones auch außerhalb der Schulstunden zu treffen.
Die Bibliothek im zweiten Stockwerk des Hauses hatte nur ein einziges hohes Fenster und war selbst zur Sommerzeit so düster, daß zum Lesen eine Lampe erforderlich war. Der Baron mußte ein rechter Abenteurer gewesen sein, denn er hatte Bücher aus allen Ländern und in vielen Sprachen zusammengetragen. Es gab Bücher für beinahe alle Wissensgebiete, sogar solche schlüpfrigen Inhalts, welche, wie Carter wußte, nur in gewissen Buchhandlungen und auch dort nur unter dem Ladentisch verkauft wurden.
Was das Thema der Fliegerei betraf, so fand er zahlreiche dicke Wälzer, die zum Teil zwanzig Jahre und älter waren, wie jenes von einem Mr. Springfellow, der einen Aeroplan oder Drachenschweber zusammengebaut hatte, welcher durch eine Propellerschraube eine schwachgeneigte Fläche vorwärtstrieb und auf diese Weise wie ein Drachen schwebend gehalten wurde. Ein Italiener namens Forlanini hatte einen Schraubenflieger konstruiert und behauptete, sein von einer winzigen Dampfmaschine betriebenes und von einem waagerechten Propeller in Bewegung gesetztes Fluggerät habe sich dreizehn Meter in die Lüfte erhoben. Und ein Deutscher, Otto Lilienthal, betrachtete den Vogelflug als Grundlage der Flugkunst und segelte wie ein gestutzter Pfau bergabwärts zwanzig Meter weit, aber es habe nur zwei Zeugen gegeben, die das bestätigten.
Fliegen,
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