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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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sein Kopf hämmerte und pochte wie ein Dampfhammer, obwohl ihm zum Heulen zumute war, vielleicht aus Schmerz, vielleicht aus Wut, vielleicht traf aber auch beides zu, gab sich Carter Mühe, den Unfall herunterzuspielen. »Alles halb so schlimm!« erwiderte er und quälte sich ein Lächeln ab.
    Ohne Zeugen hätte ihn das mißlungene Abenteuer weit weniger geschmerzt, aber daß ausgerechnet Miss Jones seine Niederlage beobachten mußte, noch dazu in Begleitung dieses Musikus, das tat weh.
    Und als ihm gar Sarah Jones bei dem Versuch behilflich war, sich aus den Trümmern seines Flugapparates zu erheben, da knickten seine Beine ein und er sank in Sarahs Arme.
    Das geschah völlig unbeabsichtigt, bewirkte bei Carter jedoch einen plötzlichen Umschwung der Gefühle: Empfand er seine Niederlage soeben noch als demütigend, so wandelte sich dieses Empfinden von einem Augenblick auf den anderen in wollüstiges Glück. Durch die gestärkten Rüschen ihrer Bluse spürte Howard Sarahs weiche Brüste, welche unter seinem Gewicht nachgaben. Instinktiv nutzte er seinen Anfall von Schwäche und genoß dieses wunderbare Gefühl länger, als es ihm in dieser Situation zukam. Carter konnte sich nicht erinnern, je von einer Frau in die Arme genommen worden zu sein, von seiner Mutter nicht und nicht von Fanny und Kate. Nun wußte er, daß es schön war, unbeschreiblich schön.
    Schließlich gelang es Miss Jones, den Jungen aufzurichten. Sie schien den Umschwung seiner Gefühle nicht bemerkt zu haben, und Carter war froh darüber. Zum Glück war sein Fahrrad bis auf den verbogenen Lenker heil geblieben, und so begannen alle drei, Chambers, Carter und Miss Jones, die herumliegenden Teile des Flugobjektes aufzusammeln und auf dem Fahrrad zu verstauen.
    Sarah Jones schien interessiert an der aberwitzigen Konstruktion, begutachtete das eine oder andere Teil und schüttelte immer wieder den Kopf, als wollte sie sagen: Was ist das doch für ein verrückter Kerl. Schließlich meinte sie: »Gar nicht schlecht für den Anfang. Du hast allerdings vergessen, daß der Mensch nur in der Lage ist, die Natur nachzuahmen, nicht aber, sie zu kopieren!«
    Carter hielt inne und blickte Sarah Jones erstaunt an. Er hatte geglaubt, sie würde ihn tadeln, doch nun bestärkte sie ihn noch in seinen Fliegerplänen. Ungläubig fragte er: »Wie meinen Sie das, Miss Jones?«
    Die Antwort stimmte Howard nachdenklich. »Du hast einen riesigen Schmetterling gebaut…«
    »Ja, hundertmal größer als in der Natur!«
    »Richtig. Aber nicht aus demselben Stoff, aus dem Schmetterlinge sind.«
    Er schaute sie fragend an: »Sie meinen, mein Fluggerät war noch zu schwer?«
    »Natürlich.«
    »Ich dachte, ein Schmetterling in hundertfacher Größe könne auch das hundertfache Gewicht tragen. Ist es nicht so?«
    Sarah lachte: »Das ist keineswegs erwiesen. Und selbst wenn es so wäre – rechne doch einmal nach. Ein Schmetterling wiegt kaum drei Gramm. Also dürftest du nicht mehr als dreihundert Gramm wiegen, gerade soviel wie eine Taube. Im übrigen verzichten Schmetterlinge beim Fliegen auf das Fahrrad.«
    Howard schämte sich. Er kam sich albern und dumm vor.
    »Ich glaube, Schmetterlinge sind ein schlechter Vergleich, wenn es ums Fliegen geht. Kluge Leute, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, orientierten sich eher an den Vögeln. Deren Flug ist leichter nachzuahmen.«
    »Sie meinen, ich habe mich ziemlich dumm angestellt.«
    »Ach was. Fliegen ist eine unerforschte Wissenschaft. In der Bibliothek der Dame-School gibt es eine Reihe Bücher zu dem Thema. Die solltest du dir einmal ansehen.«
    »Danke, Miss Jones!« meinte Carter, der sein Glück kaum fassen konnte, bot sich ihm doch damit die Gelegenheit, der Lehrerin nahe zu sein.

K APITEL 5
     
     
     
    Harold Sands, der Neffe von Howards Mutter Martha, war Zollkontorvorsteher in Harwich und eine außerordentliche Erscheinung. Als er am Tag nach Howards Flugversuch in Swaffham eintraf, trug er, obwohl das Wetter es kaum erforderte, einen langen, hellen Reisemantel und eine karierte Ballonmütze. Sein buschiger Oberlippenbart glänzte silbern und gab ihm jene Vornehmheit, welche sonst nur den Landadel in der Grafschaft Norfolk auszeichnete. Zweifellos lag in seinem Aussehen eine gewisse Autorität. Die schwand jedoch, sobald er den Mund auftat, denn er hatte eine ziemlich hohe Stimme.
    Harold kam in Begleitung seiner Frau Nancy, die eher unscheinbar wirkte, nicht nur von der Körpergröße, auch wegen ihrer

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