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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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das wurde Howard beim Studium der klugen Bücher sehr schnell klar, war wirklich eine Wissenschaft, und je mehr er sich mit diesem Thema beschäftigte, desto mehr gelangte er zu der Einsicht, daß er die Flugkunst mit seinen bescheidenen Mitteln wohl nie erlernen würde und seine Pläne aufgeben sollte.
    Miss Jones gegenüber hielt er diese Einsicht zurück, hätte sie ihn doch um die Möglichkeit gebracht, lange Nachmittage zwar nicht in ihrer Gesellschaft, aber im Bewußtsein ihrer Nähe zu verbringen. Auf Howard übten plötzlich Bücher eine eigenartige Faszination aus: er schlug sie auf, begann zu blättern, zu lesen und war gefangen. Bücher entführten ihn in eine unbekannte, fremde Welt, eine Welt, die weit hinter dem schnurgeraden Horizont des Breckland lag.
    Zum Teil verursachten die Bücher, welche Carter aus Regalen nahm, die vom Boden bis unter die Decke reichten, Staubwolken und hätten jedem anderen die Leselust geraubt, doch Howard bereiteten gerade diese widrigen Umstände Vergnügen. Mehr noch, die zunächst flüchtige Gewohnheit entwickelte sich schnell zu einem regelrechten Verlangen. Das Verlangen wurde zur Sucht. Howard gierte nach dem Staubgeruch alter Bücher, suggerierte er doch Miss Jones’ Nähe.
    Bei seinen Streifzügen durch die Welt der Bücher, die in unserem Fall kaum mehr als drei mal sechs Meter maß, stieß Carter eines Tages in Kopfhöhe auf ein Buch, das sich nicht aus dem Fach entfernen ließ. Es schien schwer wie Blei, mehr noch, die Titelseite war an die Fachwand geleimt, so daß alle Versuche scheiterten, es näher zu betrachten. Der Buchrücken zeigte keinen Hinweis, weder auf den Titel noch auf den Autor des Werkes. Das weckte Howards Forschergeist.
    Um sich ein Bild zu machen von der Kuriosität, entnahm er aus dem Fach einige Bücher. Nun stellte er fest, daß sich die Rückseite des wundersamen Buches aufklappen ließ. Aber statt bedruckter Seiten aus Papier enthielt das Buch einen Hohlraum, der jedoch keinen kostbaren Schatz verbarg, sondern einen kleinen Hebel aus Holz, kaum größer als eine Wäscheklammer und ebenso mit einer Feder eingespannt.
    Behutsam, aber ohne Bedenken, welche Auswirkungen seine Neugierde haben könnte, spannte Carter den kleinen Hebel, was eine gewisse Kraft kostete. Er war von dem Vorgang gefangen und nahm zunächst gar nicht wahr, wie mit einem Mal Bewegung in das Bücherregal kam. Erst das Ächzen uralter eingetrockneter Scharniere machte ihn darauf aufmerksam, daß sich die Bücherwand wie ein wuchtiges Portal öffnete.
    Er schickte sich an, den Vorgang abzubremsen, doch seine Neugierde hielt ihn nicht davon ab, einen Blick hinter das Bücherportal zu werfen. Howard wußte selbst nicht, was er dahinter erwartet hatte, aber er war enttäuscht, als er nur eine einfache, graugestrichene Holztüre erblickte. Jedenfalls drückte er die Bücherwand wieder in ihre ursprüngliche Position.
    Ob Miss Jones von der geheimnisvollen Mechanik wußte?
    Carter dachte nach. Was mochte die graue Tür hinter den Büchern verbergen? Gab es in dem alten Schulhaus einen Raum, von dem niemand wußte? Er öffnete das Fenster und blickte an der Außenmauer nach links. Es gab vier Fenster, aber Howard gelang es nicht, diese Fenster einzelnen Räumen zuzuordnen.
    Als er sich umdrehte, stand Miss Jones vor ihm. Sie blickte verwundert.
    »Miss Jones«, stammelte Howard verwirrt.
    »Ich habe dich wohl erschreckt?«
    »Erschreckt? Nein, das heißt ja. Ich habe nämlich gerade eine Entdeckung gemacht.«
    »Du bist also dem Geheimnis des Fliegens auf der Spur.«
    »Nein, damit hat das nichts zu tun.«
    »Howard, du machst mich neugierig. Also, was ist es?«
    Viel lieber hätte Carter sein Geheimnis für sich behalten, schließlich mußte er damit rechnen, daß Miss Jones ihn bezichtigte, in Sachen herumzuschnüffeln, die ihn nichts angingen, aber nun, da er sich schon einmal verplappert hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als ihr von seiner Entdeckung zu erzählen.
    »Miss Jones«, begann er zögernd, »wissen Sie von der Geheimtür hier in der Bibliothek?«
    »Eine Geheimtür, hier?« Sie lachte. »Mag sein, daß es in Oxburgh Hall oder in Didlington Hall so etwas gibt, aber doch nicht in der Dame-School der Baronin von Schell!«
    »Aber wenn ich es Ihnen sage!« Howard trat auf die Bücherwand zu und hantierte an dem geheimnisvollen Mechanismus.
    Sarah Jones machte einen Schritt zurück, als sich die Bücherwand geräuschvoll öffnete, und stieß einen leisen Schrei

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