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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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genoß die Unterhaltung auf ihre Weise, indem sie, weil sie trotz ihrer jungen Jahre schlecht hörte, dezent ein kleines silbernes Hörrohr an ihr Ohr setzte.
    Mr. und Mrs. Gordon, Nachbarn der Amhersts und mit diesen seit vielen Jahren befreundet, nahmen, sich gegenübersitzend, die folgenden Plätze ein; weniger weil es ihrer Rangordnung entsprach, sondern weil diese Plätze für Mr. und Mrs. Kenneth Spink vorgesehen waren, die aufgrund des Unfalls ihres Sohnes ihre Teilnahme in letzter Minute abgesagt hatten.
    So reihten sich die Gäste, über dreißig an der Zahl, deren Namen aufzuzählen den Rahmen sprengen würde, bis ans Ende der langen Tafel, wo Amhersts älteste Tochter und der junge Lord William Cecil, ein Mann von der Melancholie eines Platzanweisers in Covent Garden, Alicia und Percy Newberry, die beiden McAllen-Töchter und Howard Carter Platz genommen hatten.
    Howard empfand es als unerwartete Ehre, daß er zu dem Fest geladen war. Lady Margaret, die ihm seit seinem Eintreffen in Didlington Hall mit besonderer Liebenswürdigkeit begegnete, hatte ihm aus der Kleiderkammer des Hauses einen schwarzen Cutaway mit grauschwarzer Hose und ein silberfarbenes Seidenplastron verpaßt, das ihn außergewöhnlich gut kleidete. Wenngleich, wie sie zu bedenken gab, ein Cut nicht die angemessene Kleidung für ein festliches Dinner sei, verleihe es ihm doch eine gewisse Vornehmheit und Eleganz.
    Diese und der festliche Rahmen der illustren Gesellschaft ließen Carter für kurze Zeit Wut und Trauer vergessen, die sich seiner bemächtigt hatten. Auch wenn es ihm schwerfiel, ja beinahe unmöglich erschien, er mußte sich mit dem Gedanken vertraut machen, daß Sarah Jones eine Frau wie jede andere war und daß er seine tiefsten Gefühle verschwendet hatte.
    Carter hatte noch nie in so feiner Gesellschaft gespeist. Auch wenn er den letzten Platz an der Tafel einnahm, hätte ihn auch ein einfaches Essen in Begeisterung versetzt. So aber trugen die Diener des Hauses in schwarzer Kleidung silberne Schalen auf, deren breite Ränder im Kerzenlicht golden funkelten. Das Service, Teller, Schüsseln und Terrinen, stammte aus Worcester. Die Gläser aus St. Louis. Es gab glacierten Fasan, garniert mit Früchten und bunten Federn, Wildente in Orangensoße und Turkey mit Kastanienfüllung, dazu gedünstetes Gemüse aus eigenem Anbau. Man trank Rotwein aus Frankreich. Zum Nachtisch wurde Breadpudding mit Brandy Butter gereicht.
    Howard aß schweigsam, beinahe andächtig, und in Gedanken wünschte er sich, es in seinem Leben so weit zu bringen, daß er jeden Tag speisen könnte wie ein Lord.
    »He, Carter!« Es war die rauhe Stimme von Jane, der älteren McAllen-Tochter, die Howard in die Wirklichkeit zurückholte. »Du bist ja ein richtig vornehmer Pinkel geworden. Alle Achtung!«
    Howard blickte betroffen zu Alicia, die ihm schräg gegenüber saß und die McAllens ebensowenig leiden konnte wie er. Zunächst zog er es vor, den Anruf des pummeligen Mädchens zu übergehen.
    Aber Jane ließ nicht locker, und an ihre Schwester gewandt, aber so, daß es alle hören konnte, sagte sie: »Naja, er sieht ja ganz passabel aus in seinem schwarzen Tuch, aber ein Cutaway macht noch lange keinen Lord. Meinst du nicht auch, Mary?«
    Da platzte es aus Howard heraus: »Und ein Dekolleté noch lange keine Lady!«
    Newberry und Alicia, die das Wortgeplänkel amüsiert verfolgten, indem sie die Augen in Richtung der beiden Schwestern rollten, schüttelten sich vor Lachen und hielten die Hand vor den Mund, damit sie nicht herausplatzten. Denn Jane trug ein Kleid mit einem gewagten Ausschnitt, welcher zwar einen voluminösen Brustkorb sehen ließ, jedoch ohne den bescheidendsten Ansatz von Weiblichkeit, genauer gesagt, eines Busens, zu zeigen.
    »War nicht so gemeint«, bemerkte Jane, und um das Thema zu wechseln, fügte sie hinzu: »Stimmt es, daß Robert Spink bei einem Wettrennen mit dir verunglückt ist?«
    Alicia nahm Howard die Antwort ab und erwiderte: »Spink hat Howard herausgefordert. Er hat behauptet, mit dem Pferdewagen schneller zu sein als Howard mit seinem Fahrrad.«
    Mary, die Jüngere, hatte das Gespräch bis hierher schweigend verfolgt, aber nun griff sie mit ihrer Piepsstimme, die in schroffem Gegensatz zu der ihrer Schwester stand, in die Diskussion ein und rief: »Nie im Leben kann ein Mann auf einem Velociped mit einem Gespann mithalten!« Und dabei fuchtelte sie mit den Händen so wild in der Luft herum, daß die Kerzen auf der Tafel

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