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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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bezeichneter Herren in der Feststellung Lord Lampsons, man sollte, um Peinlichkeiten zu vermeiden, alle Frauen, denen man begegnete, Fanny nennen oder Amy. Das erspare vieles.
    So traf es sich gut, daß in der Halle, wo die Tafel inzwischen beseitigt worden war, ein Streichquintett Walzermusik intonierte. Ganz England war verrückt nach den Walzern von Johann Strauß, seit »Die Fledermaus« im Londoner Westend Furore machte.
    Zu fortgeschrittener Stunde traten die Damen und Herren der Gesellschaft aus ihren Salons, und Lord Amherst führte Lady Margaret zum Tanz. Andere Paare gesellten sich hinzu.
    »Er tut mir irgendwie leid«, meinte Lady Margaret in den Armen ihres Gemahls.
    »Wer tut dir leid?«
    »Der junge Carter! Wie er so dastand, von allen Seiten argwöhnisch betrachtet. Ich finde, Carnarvon hat recht, wenn er meinte, keiner von uns sei bei dem Brand dabeigewesen. Wer will also wissen, was damals wirklich geschah?«
    »Ich empfand sein Benehmen äußerst ungeschickt. Selbst wenn seine Behauptung der Wahrheit entspricht, wäre mehr Zurückhaltung angebracht gewesen.«
    »Findest du?« Lady Margaret wirkte nachdenklich.
    Nach ein paar Takten, in denen sie sich geschickt um die eigene Achse gedreht hatten, wobei Margaret den Blick ihren Gästen zuwandte, begann sie von neuem: »William?«
    »Ja, mein Liebes?«
    »Könntest du dir Lord Carnarvon als Schwiegersohn vorstellen? Gewiß, Alicia ist noch ein halbes Kind; aber in ein, zwei Jahren ist sie in dem Alter, wo sich diese Frage stellt. Und wenn du mich fragst, ich würde durchaus Carnarvon den Vorzug geben gegenüber – sagen wir – Newberry. Ich meine, nichts gegen Newberry, er ist ein gebildeter junger Mann, aber im Vergleich zu Carnarvon…«
    Lady Margaret sprach ruhig, beinahe im Flüsterton; dennoch stand plötzlich Lord Carnarvon neben ihr und bat, an Lord Amherst gewandt, um den nächsten Tanz. »Ich hörte da eben meinen Namen«, lachte Carnarvon, »darf ich Mylady für einen Augenblick entführen?«
    Pünktlich um Mitternacht erklang die Hymne Ihrer Majestät der Königin Victoria und beendete so nach alter Tradition das Fest auf Didlington Hall. Nur ein paar wenige Gäste aus der näheren Umgebung machten sich mit ihren beleuchteten Kutschen auf den Heimweg, die übrigen zogen sich in die Gästezimmer im Seitentrakt des Herrenhauses zurück.
    Als auch der letzte Gast gegangen war, traten Lord und Lady Amherst vor den Eingang und blickten eng aneinandergeschmiegt in den wolkenverhangenen Himmel.
    »Ein schönes Fest, nicht wahr, William?« Lady Margaret sog die Kühle der Nacht in sich auf.
    »Durchaus«, knurrte der Lord, »wäre da nicht diese Sache mit Carter gewesen. Ich werde ihn wohl hinauswerfen. Er hat kein Benehmen.«
    »Das darfst du nicht tun, William! Er ist jung und hat das Recht, Fehler zu machen. Tu das nicht, hörst du, William. Ich bitte dich!«
    Lord Amherst sah seine Frau mit Verwunderung an: »Was liegt dir so an diesem Carter?«
    »Du sagtest selbst, er sei ein begabter Künstler. Ich habe ihn liebgewonnen, seit er hier ist. Wo ist er überhaupt?«
    Der Lord hob die Schultern, und dabei zeigte er eine gewisse Gleichgültigkeit. Lady Margaret blieb diese nicht verborgen, und sie rief nach Albert.
    »Albert, wo ist Howard Carter?«
    Der Butler, dem kaum ein Vorgang auf Didlington Hall entging, antwortete freundlich: »Mr. Carter hat sich auf sein Zimmer zurückgezogen. Soll ich ihn rufen?«
    »Nein, lassen Sie nur«, antwortete Lord Amherst, »ich werde das selbst erledigen!« Und ohne seiner Frau eine Mitteilung zu machen, wandte er sich ins Haus.
    Albert erschrak, als er Amherst die Treppe nach oben stürmen sah. Seine Lordschaft hatte sich noch nie in das oberste Stockwerk begeben, wo die Räume des Personals lagen. Das versprach nichts Gutes. Und weil er ahnte, daß Amherst das Zimmer Carters nicht kannte, rannte er dem Lord hinterher und zeigte ihm die richtige Tür.
    Lord Amherst klopfte und trat, ohne eine Antwort abzuwarten, ein.
    Carter lag voll bekleidet auf dem Bett und starrte im Schein einer Petroleumlampe zur Decke. Er hätte um diese Zeit beinahe mit jedem gerechnet, nur nicht mit Lord Amherst. Als er ihn erkannte, sprang er auf: »Entschuldigen Sie, Mylord, aber ich habe Sie nicht erwartet!« Carter glättete seine Kleidung und stellte sich aufrecht vor Amherst hin.
    »Schon gut, Carter«, meinte dieser beschwichtigend und in freundlichem Tonfall. »Wir beide haben etwas zu besprechen!«
    Carter nickte, und ohne

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