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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Emily, deren Schandmaul beim Personal gefürchtet war, hinter vorgehaltener Hand: »Ich glaube, in Didlington Hall ist heute nacht ein Bett kalt geblieben.«
    Noch bevor Howard die vorlaute Kammerzofe zurechtweisen konnte, herrschte Mrs. Cricklewood Emily an: »Hüte dein vorlautes Mundwerk, dummes Ding, geh endlich an die Arbeit!«
    Die beiden Zofen stoben wie aufgescheuchte Hühner, aber immer noch kichernd, auseinander.
    Allein mit Howard, setzte sich Mrs. Cricklewood zu ihm an den Küchentisch und legte die Hand auf seinen Unterarm: »Man sollte den Gören den Hintern versohlen. Gewiß haben Sie Ihren Tanten einen Besuch abgestattet, Mr. Carter!«
    Howard nickte zufrieden: »Ja, Mrs. Cricklewood. Ab und zu muß ich doch nach dem Rechten sehen.«
    Das Gespräch wäre ohne Bedeutung gewesen, hätte sich nicht gegen Mittag desselben Tages unerwarteter Besuch in Didlington Hall eingefunden. Vater und Mutter Carter kamen in Begleitung von Fanny und Kate, um sich nach dem Wohlbefinden Howards zu erkundigen, genauer gesagt, sie waren neugierig und mißtrauisch, ob das, was der Junge über seine Anstellung bei Seiner Lordschaft erzählt hatte, auch den Tatsachen entsprach. Vier Pfund Gehalt für einen Jungen von noch nicht einmal sechzehn Jahren, das erschien Samuel Carter höchst bedenklich, verdiente er doch als Zeichner der Illustrated London News kaum mehr, und dabei ging er auf die Sechzig zu.
    Die überraschende Ankunft der Eltern und Tanten, für die der Ausflug nach Didlington Hall zum Ereignis wurde, weil sie Swaffham seit vielen Jahren nicht mehr verlassen hatten, erschien Howard peinlich genug, doch in der gegenwärtigen Situation beschwor er eine Katastrophe herauf. Gewiß, Fanny und Kate waren liebenswerte alte Damen und wußten sich im Alltag durchaus zu benehmen; aber in Didlington Hall herrschte nun einmal nicht der gleiche Alltag wie in Swaffham, und die Umgangsformen, an die Howard sich schnell gewöhnt hatte, übertrafen jene bloßer Höflichkeit.
    Am liebsten wäre Howard im Boden versunken, als Fanny und Kate Lady Margaret baten, ihnen das Haus zu zeigen, in dem ihr Neffe tätig war. Auch Samuel Carters Einwand, Didlington Hall sei doch wohl über jede Kritik erhaben, konnte ihre Neugierde nicht zügeln. Sie beharrten darauf.
    Vater Carters Verhalten gab sogar zu noch größerer Sorge Anlaß, weil dieser von Lord Amherst die Herausgabe der Arbeiten seines Sohnes zur Begutachtung forderte. Howard sei, ließ er wissen, zwar nicht unbegabt, aber seine Söhne William, Vernet und Samuel, ja sogar seine Tochter Amy, seien bessere Maler als er. Um die Nörgeleien seines Vaters an Howards Zeichnungen zu beenden, wobei dieser in der Hauptsache seinen kraftlosen Strich beklagte, sammelte Lord Amherst die vorgelegten Blätter ein und bemerkte, nicht ohne Ironie, ihm erscheine Howards Strich kraftvoll genug.
    Howard verfolgte die Szene aus dem Hintergrund mit rotem Kopf und suchte krampfhaft, aber erfolglos nach einer Möglichkeit, den peinlichen Auftritt seiner Familie zu beenden. Er hatte sich oft vernachlässigt, als lästiges Anhängsel gefühlt und Zuneigung und Nähe gesucht, jetzt verwünschte er diese Anbiederung, und er hätte alles gegeben, wenn Vater, Mutter und Tanten sich in Luft aufgelöst hätten. Sie paßten nicht mehr in sein Leben.
    Ratlos und um weiteren Bloßstellungen aus dem Wege zu gehen, drehte sich Howard um und stürmte ins Freie. Verzweifelt ließ er sich auf dem Bootssteg am Teich nieder und starrte auf den Wasserspiegel. Er hatte noch nie von seinem Vater ein Lob erfahren, also konnte er auch auf seine Kritik verzichten. Howard spuckte in weitem Bogen ins Wasser.
    Wie lange er in tiefer Niedergeschlagenheit auf dem Bootssteg verharrt haben mochte, wußte er nicht; doch schreckte er plötzlich hoch, weil er hinter sich ein Geräusch wahrnahm. Als er sich umdrehte, bemerkte er seine Mutter. Howard sagte nichts, auch Martha Carter schwieg. Völlig unerwartet ließ sie sich jedoch neben Howard auf den Planken nieder.
    »Wo sind nur die Jahre geblieben«, bemerkte sie, den Blick in die Ferne gerichtet.
    Howard sah keine Notwendigkeit, auf die tiefgründige Bemerkung seiner Mutter zu reagieren. Er erwartete, daß sie jeden Augenblick damit beginnen würde, eine Arie zu trällern. Jedenfalls entsprach das ihrer Gewohnheit, um schleppende Gespräche oder andere Peinlichkeiten zu überbrücken.
    Zu seiner Verblüffung fuhr seine Mutter jedoch fort: »Du bist ein großer Junge geworden, du

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