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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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genommen.«
    Lady Margarets Auftritt machte Howard Carter sprachlos. Er wollte antworten, aber ihre Gedanken verblüfften ihn zu sehr, und als er sich endlich beruhigt und sich eine Erwiderung zurechtgelegt hatte, da war die Lady bereits auf dem Rückzug, und von der Türe rief sie, daß es durch das Gewölbe hallte: »Sie werden von Lord Amherst hören, Mr. Carter!«
    Howard maß der Angelegenheit keine große Bedeutung bei. Sowohl er als auch Alicia würden den Irrtum aufklären, und was die Zeichnung betraf, würde ihm schon eine glaubhafte Erklärung einfallen. Allein mit sich und Mr. Peabody, setzte Carter seine Arbeit fort, und er begann auch wieder, mit der Mumie zu sprechen: Warum müssen Mütter immer glauben, jeder Mann, der sich ihrer Tochter mehr als zwei Schritte nähert, führe Böses im Schilde? Verstehen Sie das, Mr. Peabody?
    Aber Mr. Peabody gab keine Antwort.
    Als Lord Amherst am folgenden Tag aus London zurückkehrte, bat er Carter zu sich.
    Howard hatte den peinlichen Auftritt der Lady im Mumiengewölbe beinahe vergessen, jedenfalls sammelte er alle Zeichnungen ein, die er angefertigt hatte, um sie Seiner Lordschaft vorzulegen.
    Doch Amherst schien sich für die Zeichnungen überhaupt nicht zu interessieren. Er legte sie achtlos beiseite und begann umständlich, wie es sonst nicht seine Art war: »Mr. Carter, ich habe Sie kommen lassen…«
    »Ist es wegen Alicia?« fragte Howard dazwischen.
    Der Lord machte eine unwillige Handbewegung und erwiderte: »Gut, Mr. Carter, wenn Sie schon Bescheid wissen, kann ich mir eine lange Einleitung sparen. Kommen wir also zur Sache.«
    »Mylord, bitte lassen Sie mich erklären!«
    Da wurde Amherst böse, seine Miene verfinsterte sich, und laut und mit erhobener Stimme rief er: »Carter, ich lege keinen Wert auf eine Erklärung. Hören Sie gefälligst zu, was ich Ihnen zu sagen habe.«
    »Sehr wohl, Mylord.«
    Den Blick aus dem Fenster gerichtet, kehrte Lord Amherst Carter den Rücken zu. Dabei hielt er die reche Hand in der Knopfleiste seines Sakkos, während die linke in der Hosentasche verschwand. »Carter«, begann er aufs neue, »ich habe Sie als Zeichner engagiert, und ich bin mit ihren bisherigen Leistungen durchaus zufrieden. Ich habe Sie jedoch nicht angestellt, damit Sie meiner Tochter Alicia den Kopf verdrehen. Und schon gar nicht, damit Sie Alicia nackt malen. Mr. Carter! Alicia ist beinahe noch ein Kind und eignet sich nicht als Malermodell für erotische Darstellungen. Auf der Zeichnung, neulich in Ihrem Zimmer, habe ich natürlich Alicia sofort erkannt. Ich hatte gehofft, es handelte sich dabei um ein Werk aus der Phantasie. Aber wie ich von Lady Margaret erfahren mußte, ist Alicia Ihnen durchaus zugetan. Nehmen Sie meine Worte zur Kenntnis: Ich wünsche nicht, daß Sie mit meiner Tochter Alicia Umgang pflegen, der über das Alltägliche hinausgeht. Um falsche Hoffnungen Ihrerseits von vorneherein zu zerstreuen, muß ich Ihnen sagen, daß für Alicia nur eine standesgemäße Verbindung in Betracht kommt, und diese scheint in Ihrem Fall kaum gegeben. Entschuldigen Sie mich, Carter.«
    Howard stand reglos da und fühlte, wie in seinem Innersten Wut hochkochte. Er hatte auf Amherst große Stücke gehalten, sogar Zutrauen zu ihm gefunden wie zu wenigen Menschen zuvor. Doch dieses Zutrauen verwandelte sich nun von einem Augenblick auf den anderen in Mißtrauen und Feindseligkeit. Warum hatte er ihn nicht zu Wort kommen lassen? Warum behandelte er ihn wie einen dummen Jungen, obwohl seine Verdächtigungen jeder Grundlage entbehrten? War es erforderlich, der Sohn eines Lords zu sein, damit seine Lordschaft ihm Glauben schenkte? Wie reich mußte man sein, um recht zu haben?
    Wieder einmal fühlte sich Carter armselig und erbärmlich, jämmerlich und klein. O wie er diesen Zustand haßte! Howard haßte es, klein zu sein. Schon als Kind hatte er unter der Erbärmlichkeit der Verhältnisse gelitten, und er hatte davon geträumt, einmal groß und bedeutend zu werden.
    Mit Wut im Bauch und ohne Widerrede entfernte er sich; aber anstatt in das Gewölbe zurückzukehren, begab sich Carter nach Swaffham. Sarah war der einzige Mensch, der ihn trösten konnte.
    Auf dem Weg nach Swaffham, den er mit dem Fahrrad zurücklegte, wuchs die Empörung über das Verhalten von Lord und Lady Amherst, und er sagte sich: du darfst das nicht einfach hinnehmen. Nach allem, was vorgefallen war, trug er sich ernsthaft mit dem Gedanken, seine Anstellung aufzugeben – zu sehr war

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