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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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er enttäuscht worden.
    Es war Abend geworden, als Howard in Swaffham eintraf, und das Schulhaus war bereits verschlossen. Unbeobachtet wählte Carter den Hintereingang und zog dreimal an der Glocke, ein geheimes Zeichen, das sie abgesprochen hatten.
    Sarah war außer sich vor Freude und umarmte und küßte Howard. Da bemerkte sie seine finstere Miene. »Was hast du, Howard?«
    Auf dem Weg nach oben begann Carter zu erzählen, was vorgefallen war und daß er beabsichtigte, Lord Amherst zu kündigen. Im obersten Stockwerk angelangt, wo Sarah inzwischen die Räume der Baronin für ihre Zwecke eingerichtet und mit neuem Mobiliar versehen hatte, ließen sich beide in einem gemütlichen Stübchen nieder, wo ein runder Eisenofen behagliche Wärme verbreitete.
    Stumm verfolgte Sarah Jones Howards Bericht. Als er geendet hatte, zog sie den Jungen näher an sich heran, daß sein Kopf auf ihrem Schoß zu liegen kam, dann erwiderte sie: »Howard, die Deutschen haben ein Sprichwort, das lautet: Lehrjahre sind keine Herrenjahre!«
    »Diese Deutschen haben für alles ein Sprichwort.«
    »Und meistens haben sie recht. Jedenfalls mußt du noch viel lernen. Vor allem mußt du lernen zurückzustecken – und wenn du tausendmal im Recht bist. Du mußt lernen, dich selbst zu beherrschen! Sonst wirst du nie erwachsen.«
    Sarahs Worte machten Carter wütend: »Sie reden wie eine richtige Lehrerin!«
    »Wundert dich das?« entgegnete Sarah lächelnd. Und dieses Lächeln war es, das schönste Lächeln der Welt, wie Carter sagte, welches seine griesgrämige Stimmung veränderte. Er war froh, daß er Sarah aufgesucht hatte, denn im Grunde genommen hatte sie recht: er hatte gewisse Eigenheiten, die sein Leben unnötig erschwerten. Dazu gehörten sein Eigensinn und seine Unfähigkeit, die großen und kleinen Ungerechtigkeiten zu ertragen, welche einem tagein, tagaus begegnen.
    In Gedanken vertieft, genoß Carter, wie Sarah ihm mit den Fingern durch die Haare fuhr. Er knurrte zufrieden, schließlich meinte er schüchtern: »Darf ich heute nacht hierbleiben, Miss Jones?«
    Sarah senkte den Kopf und sah Howard in die Augen: »Unter einer Bedingung!«
    »Ich bin bereit, jede Anordnung zu befolgen.«
    »Du mußt morgen früh bei Tagesanbruch verschwunden sein und an deinen Arbeitsplatz zurückkehren.«
    »Versprochen!« erwiderte Carter und schmiegte sich noch näher an Sarah. Während er mit geschlossenen Augen die Wärme ihres Körpers in sich aufsog, ging ihm durch den Kopf, ob er Sarah anvertrauen sollte, daß er Alicia in ihr Geheimnis eingeweiht hatte. Doch er zog es vor, die Angelegenheit, die er im übrigen längst bereute, erst einmal für sich zu behalten.
    Silbriger Tau lag auf den Wiesen um Didlington Hall, und auf den Teichen quakten die Enten, als Howard Carter im Morgengrauen zurückkehrte. An der Weggabelung begegnete er Milky-John, der um diese Zeit mit einem von einem Schimmel gezogenen grünen Kastenwagen unterwegs war und die Frühstücksmilch für Didlington Hall und die umliegenden Landsitze brachte. Dabei pfiff er munter vor sich hin.
    »Morgen, Sir!« rief er schon von weitem. »Schon so früh unterwegs?«
    Howard, außer Atem von der anstrengenden Fahrt, erwiderte gedankenlos: »Ja, ja, was bleibt einem anderes übrig.«
    In der Küche unter dem Herrenhaus klapperte Mrs. Cricklewood bereits mit Kannen und Pfannen, um für das Personal das Frühstück zu bereiten. Ihre Scrambled Eggs waren berühmt und begehrt wie die britischen Kronjuwelen und ihre Zubereitung nicht weniger geheimnisvoll, beherrschte sie doch die Kunst, die Eier auf beiden Seiten zu braten. Seit dem Auftritt von Jane Hackleton hatte Mrs. Cricklewood Howard in ihr Herz geschlossen.
    Howard nahm an dem langen, blankgescheuerten Küchentisch Platz, wo bereits Albert, der Butler und zwei Kammerzofen saßen.
    »Sie sehen müde aus heute morgen, Mr. Carter«, stellte die Köchin befremdet fest.
    »Hm«, erwiderte Howard, während sich die Kammerzofen verstohlene Blicke zuwarfen. Der Butler Albert hielt seine Tasse zwischen beiden Händen und blickte demonstrativ zur Decke, als wollte er zu so früher Stunde noch keine Konversation führen. Das Verhältnis zwischen Howard und Albert hatte zwar an Frostigkeit verloren, war jedoch von Freundlichkeit noch immer weit entfernt.
    Während Mrs. Cricklewood die Silbertabletts mit dem Early-Morning-Tea für Seine Lordschaft und Lady Margaret bereitstellte und Albert sich erhob, um den Tee nach oben zu bringen, kicherte

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