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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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wirst deinen Weg machen. Ich bin stolz auf dich. Manchmal mache ich mir Vorwürfe, daß ich so wenig Zeit für dich aufgebracht habe. Das tut mir leid, Howard. Aber du weißt ja, du warst der Elfte. Da schwinden die Vorsätze. Und als Frau kann man es sich nun einmal nicht aussuchen, wie viele Kinder man haben will. Wäre es nach mir gegangen, dann hätten wir heute drei Kinder. Aber dann wärst du nicht auf der Welt!«
    Die Worte seiner Mutter versetzten Howard in Erstaunen. Noch nie hatte sie so mit ihm geredet. Im Zustand heftiger Gemütsbewegung wollte er sagen: Zum Teufel, warum kommst du erst heute damit? Warum hast du nicht früher einmal ein ernsthaftes Wort für mich gefunden? Das hätte mir mehr als alles andere geholfen. Zum ersten Mal in seinem Leben empfand er für seine Mutter ein Gefühl von Zuneigung.
    Howard wollte antworten, doch noch ehe es dazu kam, erschallte aus dem Hintergrund Samuel Carters eindringliche Stimme: »Martha, wir fahren!«
    Ohne ein Wort erhob sich die kleine, zierliche Frau. Sie warf Howard einen flüchtigen, beinahe sehnsüchtigen Blick zu; aber bevor sie sich abwandte, um sich zur Kutsche, zu begeben, die vor dem Herrenhaus wartete, schloß sie Howard schweigend in die Arme.
    Der wußte nicht, wie ihm geschah, woher dieser Anflug von Zärtlichkeit und Mutterliebe auf einmal kam. Entsprechend befremdet und zurückhaltend reagierte er. Howard wagte nicht, ihre Umarmung zu erwidern, er stand da mit herabhängenden Armen, als sei er ohne Bewußtsein.
    »Martha, wir fahren!« wiederholte Samuel Carter, diesmal drohend wie ein General.
    Da kletterte Mrs. Carter auf den Platz neben ihm in der Kutsche. Fanny und Kate winkten freundlich.
    »Und daß mir keine Klagen kommen!« rief Samuel Carter zum Abschied, während er die Peitsche über dem Rücken der Pferde schwang. Howard, seinem Sohn, warf er nicht einmal einen Blick zu.
    Nachdem die Kutsche aus der Auffahrt verschwunden war, blieb Howard eine Weile wie angewurzelt stehen. Der beschämende Auftritt von Vater, Mutter und den Tanten kam ihm vor wie ein böser Traum, aus dem er erwachte, um festzustellen, daß er Wirklichkeit war.
    In dieser Befangenheit, die düstere Gedanken in ihm weckte, trat plötzlich Lord Amherst auf ihn zu. Howard befürchtete das Schlimmste. »Mylord«, begann er, noch bevor Amherst zu Wort kam, »ich muß mich für das Verhalten meines Vaters entschuldigen. Er ist bisweilen etwas seltsam, und dabei fehlt es ihm auch an Manieren. Ich hatte keine Ahnung, daß er in Didlington Hall aufkreuzen würde.«
    Lord Amherst hob beschwichtigend beide Hände: »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Mr. Carter. Man kann sich nun einmal seine Eltern nicht aussuchen. Im übrigen wollte ich Sie um Nachsicht bitten wegen meiner harten Worte von gestern. Alicia hat ihrem Vater kräftig den Kopf gewaschen. Sie hat mir versichert, daß Ihre gegenseitigen Gefühle nur freundschaftlicher Natur sind und daß das Mädchen auf der Zeichnung nicht sie, sondern ein Phantasiegebilde ist, wie es Künstler nun einmal im Kopf haben. So ist es doch, Mr. Carter?«
    Howard nickte dankbar zustimmend: »Gewiß, Mylord. Alicia ist ein reizendes Mädchen, aber – wenn Sie mir den Ausdruck gestatten – für mich ist sie eher ein Kumpel. Jedenfalls würde ich es nie wagen, mich ihr in unredlicher Absicht zu nähern. Mit Verlaub: Ich mag keine rothaarigen Frauen!«
    Die Aussage überzeugte Lord Amherst vollends. Er nickte verständnisvoll und sagte: »Sie müssen meine gestrige Erregung verstehen, Mr. Carter! Alicia ist nunmal meine Jüngste und das Nesthäkchen in der Familie. Anders als ihre Schwestern ist sie wild und ungestüm und dabei etwas unbedarft. Ich muß sie ständig vor ihren eigenen Dummheiten schützen. Alicia hat tausend Dinge im Kopf. Mal will sie der Sozialistischen Partei beitreten, dann will sie unter einem männlichen Pseudonym Romane schreiben wie George Eliot. Neuerdings behauptet Alicia, sie verfüge über den sechsten Sinn, und sie besteht darauf, dies von einem leibhaftigen Professor aus Cambridge untersuchen zu lassen. Ich hätte mir bei Gott eine Tochter von einfacherem Charakter gewünscht.«
    Gemeinsam betraten sie das Herrenhaus – durch den Haupteingang übrigens, wie Carter mit Befriedigung registrierte.

K APITEL 11
     
     
     
    Es war Winter geworden, und in Norfolk waren die Tage so kurz, daß sich das Tageslicht kaum entfalten konnte. Tief und wolkenlos hing der Himmel über der Landschaft, und das

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