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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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immer wieder ein.
    Von St. Peter und Paul hörte man die Turmuhr schlagen, und Sarah öffnete das Fenster. Sie trug nur ein Nachthemd aus Leinen, und die Winterkälte kroch an ihrem nackten Körper hoch. Für ein paar Augenblicke genoß sie die Abkühlung auf ihrer erhitzten Haut, aber schon bald begann sie zu frösteln, und sie fühlte, wie ihr Körper schmerzte, steif und unbeweglich wurde wie ein Stück Holz. Da faßte sie einen Plan. Sie schloß das Fenster und kleidete sich an.
    Später konnte sich Sarah nicht mehr erinnern, wie sie den Schultag hinter sich gebracht hatte; denn ihre Gedanken kreisten nur um den Abend bei Chambers.
    Bereits am Nachmittag begann sie, kaum hatten Mrs. Campbell und Susan Melier das Schulhaus verlassen, ihr Haar mit Hilfe einer Brennschere in Form zu bringen. Dann schnürte sie sich in ein schwarzes Korsett, das sie sich für diesen Zweck gekauft hatte. Die hautfarbenen Strümpfe befestigte sie dicht über dem Knie mit Strumpfbändern, und danach schlüpfte sie in halbhohe Stiefeletten, die zu schnüren sogar in Unterkleidung Mühe machte. Als Sarah sich endlich einen mit Rüschen besetzten Unterrock über den Kopf gezogen hatte, konnte sie daran gehen, ein zweiteiliges rotes Kostüm, das ihre Figur vorteilhaft zur Geltung brachte, anzulegen. Eine ganze Stunde vor dem genannten Termin stand Sarah Jones fertig gekleidet vor dem Spiegel.
    Mit demselben Automatismus, mit dem sie ihre Kleidung angelegt hatte, begann Sarah sich zu schminken. Sie puderte ihr Gesicht, bis ihre Haut hell schimmerte. Augen und Brauen versah sie mit einem dunklen Schatten, und ihren Mund bedeckte sie dick und breit mit einem kräftigen Rot. Dann trat sie einen Schritt zurück, um ihr Spiegelbild zu betrachten.
    Wenn Howard mich so sähe, dachte Sarah, was er wohl sagen würde? Sie zog eine Grimasse und schob die Unterlippe vor, daß ihr Mund noch breiter wurde. Aus dem Spiegel blickte ihr eine Fremde entgegen, eine von den käuflichen Frauen, die sie im Hafen von Ipswich gesehen hatte. Mit ihrer Maskerade verfolgte sie keinen anderen Zweck. Sie wollte Chambers als das gegenübertreten, was er von ihr forderte, als eine Frau, die ihm zu Willen sein mußte.
    Chambers hatte die Macht, dies von ihr zu fordern, aber er konnte sie nicht zwingen, ihm mit ehrlicher Zuneigung zu begegnen.
    Wie von ihm gefordert, stand Sarah pünktlich um sieben vor Chambers’ Haus in der Mangate Street. Als hätte er nicht mit ihrem Kommen gerechnet, dauerte es lange, bis er öffnete. Chambers hatte getrunken und war bemüht, seinen zerrissenen Zustand zu verbergen. Vielleicht hatte er erwartet, Sarah würde aufgelöst und lamentierend bei ihm aufkreuzen – nichts hätte ihm mehr Lust bereitet. Zu seiner Überraschung mußte er jedoch feststellen, daß die Angebetete dem Ereignis eher geschäftsmäßig, beinahe gleichgültig begegnete. Das verunsicherte ihn sehr.
    Ohne große Worte zu verlieren, betrat Sarah den Raum, in dem vor Wochen alles angefangen hatte, und begann sich ihres Kostüms zu entledigen. Verblüfft von der Selbstverständlichkeit, mit der sie ihrer Aufgabe nachkam, verfolgte Chambers jede ihrer Bewegungen. Er hatte auf dem Sofa neben dem Harmonium Platz genommen und gab in kurzen Abständen lüsterne Laute von sich. Dazu wiederholte er immer wieder ihren Namen.
    Als Sarah ihren Unterrock zu Boden gleiten ließ und als sie in Strümpfen, nur mit ihrem Korsett bekleidet, auf ihn zutrat, da wurde Chambers von Erregung übermannt. Er riß sich, so schnell er konnte, die Kleider vom Leibe und stand plötzlich nackt und mit erhobener Männlichkeit vor ihr.
    »Bitte, bedienen Sie sich, Mr. Chambers«, sagte Sarah Jones mit Eiseskälte. »Ich hoffe, Sie nicht zu enttäuschen.«
    Die geschäftsmäßigen Worte und die steife Haltung, mit der Sarah vor ihn hintrat, wobei sie ihre Fäuste in die Taille bohrte und das Gehabe eines Polizeibeamten einnahm, wirkten auf Chambers ernüchternd. Mit schützenden Händen versuchte er seinen Penis, der eben noch Anlaß zu Selbstvertrauen gegeben und sich unerwartet schnell in ein beklagenswertes Anhängsel verwandelt hatte, zu verbergen.
    »Also?« meinte Sarah fordernd, als habe sie das Geschehen nicht bemerkt. »Ich warte, Mr. Chambers. Sie haben mich hierher bestellt!«
    Sarahs Härte traf Chambers mit der Wucht eines Donnerschlages. Der nackte Mann ging vor der Frau im Korsett auf die Knie und schlug die Hände vors Gesicht. Er schämte sich, aber er war nicht bereit, dies

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