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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Sarah antwortete, scheinbar gelassen: »Und wenn ich mich weigere?«
    Damit hatte Chambers nicht gerechnet. Sein eben noch fester Blick wurde unsicher. Betont kühl antwortete er: »Diesen Entschluß sollten Sie sich noch einmal gründlich überlegen, Miss Jones. Schließlich könnte eine Anzeige wegen Unzucht Ihr ganzes Leben zerstören.«
    Während Sarah sprachlos die Arme über der Brust verschränkte, wurde ihr bewußt, daß Chambers diesen Schachzug von langer Hand geplant hatte. Sie traute ihm auch zu, daß er seine Drohung wahr machen würde. Chambers war mehr als ein Jammerlappen, er war ein Schwein. Verzweifelt versuchte Sarah, sich mit der Situation vertraut zu machen, aber es gelang ihr nicht.
    Wie aus weiter Ferne hörte sie Chambers’ Stimme: »Ich gebe Ihnen bis morgen Bedenkzeit, Miss Jones, und erwarte Sie gegen sieben in meiner Wohnung. Es wäre doch zu bedauerlich, wenn Ihr Verhältnis mit dem jungen Bengel zu Ende gehen müßte.« Er verneigte sich mit einem teuflischen Grinsen: »Guten Abend, Miss Jones. Ich finde den Weg allein.«
    Mit klopfendem Herzen lauschte Sarah seinen schweren Schritten im Treppenhaus. Nachdem die Türe ins Schloß gefallen war, atmete sie erst einmal tief durch. Doch schien es ihr, als laste ein schwerer Felsblock auf ihrer Brust.
    Howard! Endlich sah Sarah sich imstande, einen klaren Gedanken zu fassen: Du mußt Howard davon berichten!, sagte sie zu sich. Aber je länger sie darüber nachdachte, desto mehr kam sie von dieser Idee wieder ab. Sie durfte Howard da nicht hineinziehen, das würde die Lage nur noch verschlimmern. Howard würde Chambers verprügeln oder Gottweißwas unternehmen, und dadurch würde ihr Verhältnis erst recht öffentlich.
    Geld! Sarah dachte sogar daran, Chambers zu bestechen, damit er den Mund hielte. Gewiß, Chambers war ein armer Musikus, aber sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, daß Geld ihm wenig bedeutete, bestimmt weniger als ein Beischlaf mit ihr.
    Sie hätte sich ohrfeigen können, weil sie Chambers ihr Geheimnis verraten hatte; aber es war nun einmal geschehen. Was also tun?
    In ihrer Ausweglosigkeit beschäftigte sich Sarah in der folgenden Nacht ernsthaft mit dem Gedanken, Chambers zu töten. Trunken vom Halbschlaf, der sich bisweilen für kurze Zeit über ihr Bewußtsein legte, erhob sie sich, tastete sich im Dunkeln in die Küche, zog aus einer Schublade ein Messer hervor und prüfte mit dem Daumen der rechten Hand seine Schärfe. Das Messer in ihrer Hand und der Plan in ihrem Kopf versetzten Sarah in eigenartige Erregung. Sie verspürte eine Art Wollust, ein Gefühl, das sie in diesem Zusammenhang nie erwartet hätte.
    Vor ihrem Daumen, den sie geistesabwesend über die Schneide bewegte, ging plötzlich eine unerklärliche Wärme aus. Es schien, als klebte der Finger an dem kalten, blanken Metall, und sie erschrak. Hastig entzündete sie die Lampe mit einem Streichholz. Im zaghaften Flackern des Lichts entdeckte Sarah, was sie angerichtet hatte: Ihre Hand war mit Blut verklebt, und überall auf dem Boden sah man Brutspritzer – wie die ersten Regentropfen im Straßenstaub vor einem heranziehenden Gewitter. Aus der Kuppe ihres Daumens, in der ein tiefer Schnitt klaffte, rann noch immer Blut.
    Sie hatte den Schnitt nicht gespürt, doch der unerwartete Anblick versetzte ihr einen Schock. Sarah stieß einen gellenden Schrei aus, so als hätte sie die Tat, die sie in Gedanken mit sich herumtrug, bereits begangen. »Nein!« rief sie, »nein, nein!«, und schleuderte das Messer von sich. Dann brach sie in Tränen aus.
    In einer Schüssel mit Wasser wusch sie das Blut von ihren Händen, dann wickelte sie einen Stoffetzen um ihren Daumen. Sarah wußte nun, daß sie niemals in der Lage sein würde, einen Menschen zu töten. Mein Gott, sagte sie zu sich, wie weit ist es mit dir gekommen! Schluchzend sank sie in sich zusammen. Ihr ganzes Leben erschien ihr auf einmal aussichtslos, verkettet in einer Aneinanderreihung unglücklicher Umstände, vergiftet von der krankhaften Begierde eines Mannes, für den sie nur noch Verachtung empfand.
    In diesem Augenblick wütender Ohnmacht wünschte Sarah Jones, sie wäre in Ipswich geblieben und den geraden, bescheidenen Weg einer schlecht bezahlten Lehrkraft gegangen. Damals hatte sie geglaubt, in East Suffolk klebte das Unglück an ihren Fersen, und sie war vor diesem Unglück nach Norfolk geflohen. Inzwischen wußte sie, daß es unmöglich war, vor seinem Schicksal davonzulaufen. Es holte einen

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