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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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konnte, antwortete sie: »Ja, ich sehe die Zukunft.«
    »Was siehst du, Alicia?«
    »Ich sehe – meine – Hochzeit«, erwiderte das Mädchen stockend.
    Lord Amherst richtete sich auf. »Fragen Sie, wer ihr Gemahl ist!« flüsterte er Painswick zu.
    »Wie heißt dein Gemahl, Alicia?«
    Nach einer Pause, in der ihr Gesicht von Unruhe gezeichnet war, als fürchte sie die Donnerschläge eines Frühlingsgewitters, antwortete Alicia: »Er will nicht, daß ich seinen Namen nenne, aber er hat einen roten Backenbart.«
    Die Antwort erzeugte Unsicherheit, Lord Amherst musterte mit prüfendem Blick jeden in der Runde. Auch Carter blieb nicht verschont. Schließlich zischte Amherst verärgert: »Humbug, alles Humbug.«
    »Und was siehst du noch in der Zukunft, Alicia?«
    »Oh, wundervolle Dinge«, erwiderte Alicia, ohne zu zögern, »ich sehe Gold und Edelsteine und unsagbaren Reichtum.«
    »Gold und Edelsteine?«
    »Ja.«
    »Und wem gehört das alles? Sag es uns, Alicia!«
    »Weiß nicht. Aber einer von den Anwesenden wird den größten Schatz der Menschheit heben.«
    Carter warf Newberry einen erstaunten Blick zu. Der blickte zu Francis Griffith. Dieser zog eine Grimasse und musterte Flinders Petrie von der Seite. Petrie hob die Schultern, als wollte er sagen, ich, warum nicht?, dann sah er Amherst an. Amherst schien wie elektrisiert.
    »Wo?« wandte er sich flüsternd dem Professor zu.
    »Wo?« wiederholte Painswick, »wo liegt dieser Schatz verborgen?«
    »Weiß nicht«, kam die Antwort, »ich sehe Felsgestein und Wüstensand. Ich sehe Mister Peabody.«
    »Mister Peabody? Wer ist Mister Peabody?«
    Die Herren am Tisch machten erstaunte Gesichter. Francis Griffith meinte andächtig, eine Tante seiner Mutter heiße Peabody, doch Mr. Peabody sei schon seit Jahren tot, während Lord Amherst sich zu erinnern glaubte, daß der Feuerwehrhauptmann von Brandon ein gewisser Peabody sei. In Wahrheit gab es nur einen im Raum, der die Bedeutung des Namens kannte, Howard Carter. Aber Carter schwieg.
    Auf Alicias Stirn bildeten sich Schweißtropfen, und Painswick kündigte an, das Experiment zu beenden; vor allem mahnte er, Alicia nach ihrem Erwachen keine Fragen zu stellen. Sie selbst habe von dem Geschehen nichts mitbekommen, und Fragen würden sie in tiefe Verwirrung stürzen. Dann klatschte er einmal kurz in die Hände. Alicia erwachte.
    Lord Amherst führte das Mädchen aus dem Salon. Als er zurückkehrte, war bereits eine heftige Diskussion darüber im Gange, wer von den Anwesenden wohl den größten Schatz der Menschheit entdecken könnte. Und während die Männer noch vor kurzem an der Möglichkeit zweifelten, die Zukunft vorherzusehen, stand dies nun nicht mehr zur Debatte. Griffith und Petrie gerieten sich in die Haare, wer von beiden der erfolgreichere Archäologe und vom Schicksal bestimmt sei, einen Jahrtausend-Fund, wie Alicia ihn angekündigt hatte, zu entdecken. Lord Amherst fühlte sich gekränkt, weil ihm von niemandem die Möglichkeit eingeräumt wurde, das Abenteuer für sich zu entscheiden. Nur Francis Allen, der sich bis dahin kaum zu Wort gemeldet hatte, lachte schadenfroh und rief: »Seit hundert Jahren treiben sich Franzosen, Italiener, Deutsche und Engländer in Ägypten herum in der Hoffnung, den Schatz des Jahrtausends zu entdecken. Und was haben sie gefunden? Ein paar Obelisken und Steinsärge, Tonscherben und Alabasterkrüge! Ich befürchte, die wahren Schätze wurden längst außer Landes gebracht.«
    Allen wußte, wovon er sprach, er war ein halber Ägypter, denn er verbrachte die kalte Jahreszeit in seinem Haus in Ramla, einem Vorort von Alexandria, nur im Frühling und Sommer lebte er mit seiner Familie in Cockley Cley Hall, einem italienisch anmutenden Landsitz.
    »Mr. Petrie«, meinte er an den Archäologen gewandt, »Sie sind der Fachmann. Warum sagen Sie nichts?«
    Petrie, von Natur aus in sich gekehrt und zurückhaltend, zuckte mit den Schultern. Er mochte Allen nicht besonders. Menschen mit Geld, vor allem solche, die es zeigten, waren ihm ein Greuel. Schließlich raffte er sich zu einer Antwort auf: »Ach wissen Sie, Sir, was Sie möglicherweise als Plunder bezeichnen, ist der Wissenschaft oft mehr dienlich als ein Geschmeide aus Gold – wobei ich – im Vertrauen – gegen einen Goldschatz nichts einzuwenden hätte.«
    Die Männer am Tisch lachten, und Lord Amherst leerte sein Brandyglas auf einen Zug. Und während Albert, der Butler, nachschenkte, meinte er nachdenklich: »Angenommen, meine

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