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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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angeblichen Fähigkeit, die Zukunft vorherzusagen, und der Forschung auf diesem Gebiet nichts weiter als Scharlatanerie verbirgt?«
    Die um den großen runden Tisch versammelten Männer starrten Painswick an. Wie würde der Professor auf diese Beleidigung reagieren?
    Anscheinend sah Painswick sich solchen Vorwürfen nicht zum ersten Mal ausgesetzt, denn er antwortete gelassen: »Sir, Sie haben sicher in vielen Fällen recht. Doch es läßt sich nicht leugnen, es gibt eindeutige Beweise für Weissagung. Vor allem unter Hypnose, wenn der Mensch willenlos und nicht in der Lage ist zu lügen.«
    Lord Amherst sah den Professor erwartungsvoll an: »Beherrschen Sie die Kunst der Hypnose, Painswick?«
    Painswick lachte: »Ich wäre ein schlechter Professor für Geheimlehren der Physik und ein noch schlechterer Untertan Ihrer Majestät, wenn ich die Hypnose nicht beherrschte, Mylord. Schließlich war es ein Schotte, der diese Wissenschaft zur Blüte gebracht hat!«
    »Dann könnten Sie auch mich in Hypnose versetzen, Professor?« Amherst hob herausfordernd die Augenbrauen.
    »Das käme auf den Versuch an, Mylord. Noch besser eignete sich allerdings Ihre Tochter Alicia. Sie ist jung, und junge Mädchen haben die besten Voraussetzungen für derartige Experimente. In Trance könnte Alicia uns beweisen, ob sie in der Lage ist, in die Zukunft zu sehen.«
    Plötzlich sah Amherst alle Augen auf sich gerichtet. »Aber ist es nicht gefährlich?« fragte er vorsichtig.
    »In keiner Weise!« entgegnete der Professor. »Was sollte daran gefährlich sein? Nein, Hypnose ist nicht gefährlicher als ein Mittagsschlaf. Im Gegenteil, während des Mittagsschlafes können Sie unter Umständen vom Sofa fallen, in Trance stehen Sie jedoch unter Aufsicht.«
    Da erhob sich Lord Amherst und verließ nachdenklich den Raum. Augenblicklich verbreitete sich große Spannung. Würde Amherst seine Tochter Alicia überreden, sich von Painswick in Hypnose versetzen zu lassen?
    Howard Carter hegte keinen Zweifel. Er kannte Alicia nur zu gut und wußte, daß das Mädchen für jedes Abenteuer zu haben war. Howard täuschte sich nicht: Lord Amherst kehrte nach kurzer Zeit, in der die Männer heftig diskutiert hatten, mit Alicia zurück.
    Im Salon herrschte eine Atmosphäre gespannter Erwartung. Dicke Rauchschwaden durchzogen den Raum, und die Lampe über dem Tisch verlieh dem Ganzen etwas Gespenstisches. Sie erinnerte an die Tage im Herbst, wenn über den Teich vor Didlington Hall die Nebel wallten.
    Es wurde still, als das Mädchen am Tisch neben dem Professor Platz nahm. Alicias Gesicht verriet ein gewisses Mißtrauen gegenüber dem Experiment; anders war ihr Schmunzeln kaum zu deuten.
    Painswick drückte seine Zigarre aus und fingerte eine kastaniengroße, blitzende Kristallkugel aus der Westentasche. Dann begann er mit ruhiger, aber eindringlicher Stimme zu sprechen: »Alicia, richten Sie Ihre Augen auf die Kugel in meiner Hand!«
    Das Mädchen kam der Aufforderung nach, doch schien es, als machte Alicia sich eher lustig über den Ablauf des Geschehens.
    Unbeirrt fuhr Painswick fort: »Sie sehen das Licht in der Kugel, und Ihre Augen werden müde, und Ihre Glieder werden schwer. Sie wollen schlafen, schlafen, schlafen… Und erst auf mein Händeklatschen werden Sie wieder erwachen.« Bei diesen Worten wurde die sanfte Stimme des Professors noch leiser, nur die Lampe über dem Tisch verbreitete ein gedämpftes Fauchen.
    In Alicias Augen machte sich zuerst ein leichtes Flackern bemerkbar, so als wehrte sie sich gegen eine unsichtbare Kraft. Aber schon nach wenigen Augenblicken bemächtigte sich eine geheimnisvolle Gewalt des Mädchens und versetzte Alicia in einen Zustand totaler Willenlosigkeit. Kopf und Arme hingen leblos an ihr herab. Painswick drückte sie sanft gegen die Stuhllehne, damit sie nicht vornüberkippte. Dann blickte er beifallheischend in die Runde.
    Keiner von den Männern, die gerade noch lautstark diskutiert hatten, ob Weissagung und Hypnose nicht purer Humbug seien, keiner wagte ein Wort zu sprechen. Sie starrten auf das entrückte Mädchen.
    Painswick beugte sich zu Alicia hinüber und näherte sich ihrem Gesicht auf eine Handspanne. »Alicia«, flüsterte er mit hohler Stimme, »kannst du in die Zukunft blicken? Antworte!«
    Zuerst geschah nichts, und der Professor wiederholte seine Frage, diesmal eindringlicher und mit erhobener Stimme.
    Da machte sich um Alicias Mundwinkel ein Zucken bemerkbar, und deutlich, daß jeder es verstehen

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