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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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einzugestehen.
    »Und nun?« Sarah kannte keine Gnade. »Sie haben für Ihr Schweigen einen Preis verlangt, und ich bin hier, um diesen Preis zu bezahlen!«
    Da brach es aus Chambers heraus: »Scheren Sie sich zum Teufel, Miss Jones, und werden Sie glücklich mit diesem Jüngling!«
    Darauf hatte Sarah im stillen gehofft. Gelassen sammelte sie ihre Kleider ein und zog sich an.
    Bevor sie Chambers verließ, der immer noch auf dem Boden kniete, drehte sie sich noch einmal um und sagte: »Ich hatte mir mehr versprochen von diesem Abend. Was soll’s.«
    Die erzwungene Begegnung mit Chambers hatte in Sarahs Seele tiefere Spuren hinterlassen, als es den Anschein haben mochte. Nach Hause zurückgekehrt, zog sie sich hastig aus und wusch sich die Schminke aus dem Gesicht. Erst jetzt fiel die Belastung von ihr ab, und sie begann leise zu schluchzen. Sie hatte das Bedürfnis, sich jemandem mitzuteilen. Doch der einzige Mensch, der dafür in Frage kam, gerade der durfte es nicht wissen.
    Bisweilen liefen in Didlington Hall geheimnisvolle Dinge ab; dann wurde Howard Zeuge seltsamer Herrenrunden, bei denen es um Unerforschtes und Unerklärliches ging. An solchen Abenden suchte oft ein Dutzend gelehrter Männer bei Kerzenlicht und Brandy nach Antworten auf Fragen, die sich kein vernünftiger Mensch stellte. Die Tatsache, daß Lord Amherst ihn von Anfang an an diesen Herrenrunden teilnehmen ließ, erfüllte Howard mit Stolz, und er wünschte, daß Sarah ihn bei einem dieser Ereignisse sehen könnte.
    Unter den zahlreichen Ämtern, die Amherst wahrnahm, ragten zwei besonders hervor: William George Tyssen-Amherst war ein einflußreiches Mitglied des Egypt Exploration Fund und Großmeister der Freimaurer von England, Wales und allen Hoheitsgebieten des Britischen Königreichs.
    Im März, als der Frühling Einzug hielt im Breckland und das öde Braun der Heide in frisches Grün verwandelte, traf sich eine illustre Runde, die sich aus Mitgliedern des genannten Clubs zusammensetzte, in der Bibliothek von Didlington Hall. Unter den Gästen, die in rauchgeschwängerter Luft um einen großen runden Tisch saßen, sah man Percy Newberry, den Forscher Flinders Petrie, Mr. Francis Allen, einen reichen Geschäftsmann aus Cockley Cley, das ein paar Meilen nördlich von Didlington Hall lag, den jungen Francis Llewellyn Griffith, einen selbsternannten Archäologen mit besonderer Vorliebe für das alte Ägypten, und Professor Walter B. Painswick, Professor für Geheimlehren der Physik an der Universität Cambridge.
    Obwohl die Erklärung physikalischer Geheimnisse sein Beruf war, tat er selbst sehr geheimnisvoll, redete leise und orakelhaft, und sein Aussehen – Painswick war groß, dürr und hatte tiefliegende dunkle Augen – trug nicht gerade dazu bei, diesen Eindruck zu zerstreuen. Amherst hatte den Professor eingeladen, um zu erfahren, wie ernst die Behauptungen seiner Tochter Alicia zu nehmen seien, sie habe bisweilen das zweite Gesicht.
    Viele Mädchen in Alicias Alter behaupteten damals, über seherische Gaben zu verfügen, und es gab nicht wenige Forscher, die daran glaubten. Amherst war den dunklen Seiten des Lebens durchaus zugetan, aber im Falle Alicias glaubte er nicht an derlei Hokuspokus, zumal ihre bisherigen Vorhersagen allesamt die ferne Zukunft betrafen und nicht nachprüfbar waren.
    In der Herrenrunde in Didlington Hall stieß das Thema auf größeres Interesse, und auch Howard Carter konnte sich der Magie der Zukunftsdeuterei nicht entziehen, und so stellte er dem Professor die Frage, welche Gründe verantwortlich seien, daß der eine angeblich die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen, beherrsche, während dem anderen jeder Sinn dafür fehle.
    Das, meinte Painswick, sei die schwierigste Frage von allen, denn könnte er sie beantworten, so wäre das Rätsel der Weissagungen im ganzen gelöst. Dennoch vertrat der Professor die Ansicht, die Wissenschaft werde auch dieses Rätsel in nicht allzuferner Zukunft lösen.
    Flinders Petrie, ein Mann mit markantem dreieckigem Schädel, krausem Backenbart und dunklen, stechenden Augen, hatte die Diskussion bis dahin schweigend verfolgt, doch seine nervösen Finger, mit denen er unablässig auf die Tischplatte trommelte, verrieten nur allzu deutlich, daß er der Wahrsagerei und Zukunftsdeutung keinesfalls gleichgültig gegenüberstand. Schließlich sprang Petrie auf, schlug mit der Faust auf den Tisch und rief, an Painswick gewandt: »Professor, glauben Sie nicht, daß sich hinter der

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