Der Koenig von Rom
sicher, dass er es geschafft hatte.
Später, nachdem er ein wenig aufgeräumt hatte und Giada schlief, bemerkte er, dass Sandro noch immer herumstand. Er setzte ihn auf ein Sofa und fragte ihn aus.
– Besorgst du es ihr?
– Was?
– Fickst du sie?
– Giada?
– Nein, deine Mutter …
– Nein. Ich … Sie sagt …
– Was sagt sie?
– Sie sagt, ihr gefällt ein anderer.
Die Antwort versetzte ihn in gute Laune.
– Ist gut. Hau jetzt ab.
Das ließ Sandro sich nicht zweimal sagen. Libanese nahm einen mit rotem Samt bezogenen Stuhl und zog ihn ans Bett, wo Giada leise schnarchte. Er setzte sich neben sie. Betrachtete sie. Sandros Worte gingen ihm nicht aus dem Sinn. Ihr gefällt ein anderer. Er schrieb seine Telefonnummer auf ein Kärtchen, legte es neben ein Familienfoto (eine allzu elegante Mutter, ein allzu vertrottelter Vater und ein kleines Mädchen, das diesen allzu sehr anhimmelte), fügte noch eine Empfehlung hinzu: „Übertreib es nicht, du Verrückte!“ Im Morgengrauen ging er weg. Er nahm den Rest des Stoffes mit: Vielleicht konnte er ihn ihr noch mal verkaufen. Selbst wenn er den Gewinn nicht teilte, verletzte er nicht die Abmachung mit Puma.
XI.
Als Giada ihn anrief, stellte Libanese sofort die Dinge klar.
– Die Krankenbetreuung war gratis, aber den Stoff musst du extra bezahlen.
– Ich wollte mich nur bedanken.
– Schon wieder? Ist das eine Unart von dir?
Natürlich sahen sie sich wieder. Von nun an trafen sie sich regelmäßig. Zuerst war es nur Sex. Der Wunsch, den Körper des anderen kennenzulernen. Sie brauchten nicht einmal einen Joint, Koks oder Alkohol als Starthilfe, sie genügten einander. Giada war im Bett viel besser, als er sich jemals vorzustellen gewagt hatte. Sie zeigte ihm, wie er ihren Körper erforschen konnte, enthüllte ihm aufregende Geheimnisse, eröffnete ihm neue Horizonte. Libanese, der bisher nur eine vage Ahnung davon gehabt hatte, was eine Frau glücklich macht, war zunächst völlig perplex. Ach, den Frauen machte es also auch Spaß! Sie täuschten nicht nur vor wie die Huren.
Er bemühte sich, ihr gerecht zu werden. Es war nicht allzu schwierig. Er mochte Frauen. Er empfand für sie eine archaische und absolute Form des Respekts. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie eine Frau geschlagen, und wenn er mit ansehen musste, wie ein armes Mädchen von einem Schwein verprügelt wurde, von denen so viele auf den Straßen herumliefen, eilte er ihr zu Hilfe. Er ging kaum zu Huren, und wenn, dann freudlos. Er hatte nichts gegen diesen Beruf; obwohl Huren dumm waren und zum Verrat neigten und Zuhälter in der Hierarchie der Unterwelt auf der untersten Stufe standen, war ein Mann ein Mann und musste sich hin und wieder Erleichterung verschaffen. Und außerdem liefen in seinem Milieu ja nicht gerade viele Prinzessinnen herum. Aber es war erbärmlich, sich eine Frau kaufen zu müssen. Nur Vergewaltigung war noch schlimmer, das war krank. Ein Krieger musste allenfalls Eroberungen machen. Das war Libanese nämlich seiner Meinung nach: ein Krieger. Ein Krieger, der eines Tages König sein würde. Und ein richtiger König brauchte an seiner Seite eine richtige Königin.
Giada konnte augenblicklich von Leidenschaft zu Zärtlichkeit übergehen. Und die Zärtlichkeit war ein freudvoller Kontinent. Ihr Genuss verschaffte ihm so etwas Ähnliches wie Glück. Die Befriedigung nach dem Sex beschwichtigte seine chronische Unruhe. Sie war etwas Tröstliches, aber auch eine Falle: Was würde aus Libanese werden, wenn er seine Unruhe verlor?
Sylvester verbrachten sie zusammen. Gemeinsam mit Giada trug Libanese die Stereoanlage auf die Terrasse. Zum Jahreswechsel begann sie zu den Klängen der
Internationale
zu tanzen. So eine Verrückte!
Libanese drehte sich einen Joint und bot ihn ihr an. Sie lächelte und streichelte ihn zärtlich.
– Das bringt nichts, Libano. Es gibt was Besseres.
Zwei Minuten später tanzten sie zu
Lella,
ihrem Lied. Libanese schloss die Augen. Wie gern hätte er sich in diesem Augenblick gesehen. Wie in einem Film, als ob es einen anderen Libanese gäbe, der den echten aus Fleisch und Blut betrachtete. Giada war weich und leicht und drängte sich an ihn, und gemeinsam wirbelten sie herum, auf den Flügeln eines Windes, der sich plötzlich heiß und feucht anfühlte, der nach Sommer, nach Feuer, Kraft und Jugend roch.
Unter ihnen Rom, die ewige und unsterbliche Stadt, in der die Feuerwerke tausend Lichter entzündeten und die Böller einen
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