Der Koenig von Rom
Entschuldige. Aber ich wollte dich unbedingt sehen.
Giada nestelte am Schloss, ließ die Tür halb offen stehen. Libanese verstand das als Einladung, nahm die Blumen und die Flasche und ging ihr nach.
Kaum hatte er die Wohnung betreten, fiel sein Blick auf ein großes Bild, eine Leinwand ohne Rahmen, die an einer Wand lehnte. Darauf waren die Umrisse eines weißen Pferdes vor einer grünen Wiese zu sehen. Rundherum ein blasser Himmel mit flüchtigen Wolken.
– Bist du unter die Maler gegangen, Giada?
– Gefällt es dir? Es stammt von dem Künstler.
– Und wer ist dieser Künstler?
– Ein ganz Bedeutender.
– Wirklich?
– Seine Bilder sind einen Haufen Geld wert. Wenn du möchtest, stelle ich euch einmal einander vor.
– Mich und das Pferd?
– Trottel. Dich und den Künstler. Übrigens ist er ein echter Genosse. Gib her, fügte sie hinzu und riss ihm die Flasche aus der Hand. Er ist warm. Ich trinke ihn ein anderes Mal.
– Ich dachte, wir würden ihn gemeinsam trinken …
– Da hast du dich getäuscht. Ich bin kein Jetonautomat, Libano. Ich stehe nicht zu deiner Verfügung.
– Ich musste etwas Luft schöpfen.
– Hattest du bei mir vielleicht das Gefühl zu ersticken?
– Ich habe einen Fehler gemacht. Ich möchte von vorne anfangen.
Zum ersten Mal lächelte sie. Es gelingt mir also doch, den Eisblock zum Schmelzen zu bringen, dachte er und ging wieder zum Angriff über. Er machte einen Schritt auf sie zu.
– Komm her …
Ihr Lächeln verwandelte sich in eine verächtliche Grimasse. Giada verschränkte die Arme. Als wollte sie sagen: Die Straße ist versperrt, Libanese.
– Ich verstehe, flüsterte er sanft, du hast einen Verlobten.
– Einen Verlobten? Was redest du? Nicht einmal meine Großmutter würde so sagen …
– Ach ja, heute sagt man: „Ich hab einen Freund.“
– Ich hab keinen Freund!, protestierte sie, dann bereute sie es, protestiert zu haben. Außerdem geht es dich nichts an. Und wie kommst du überhaupt zu diesem brillanten Schluss?
– Nun, es ist mitten in der Nacht, du bist nicht zu Hause, kommst so …
– Wie so?
– So … so spät. Was soll man da denken?
– Heute ist Donnerstag. Donnerstag ist Frauengruppe.
– Was soll das sein?
Lächelnd erklärte Giada es ihm.
– Das versteh ich nicht. Einmal in der Woche triffst du dich mit Mädchen zum Quatschen …?
– Ja, wir sprechen über unser Leben, die Situation der Frau, unsere Sexualität … das macht ihr Männer doch auch, wenn ihr euch ein Match anschaut, Bier trinkt und über Frauen redet, die ihr gefickt habt oder ficken wollt …
Einen Augenblick lang sah Libano in Gedanken die Abende mit Dandi und Bufalo vor sich, Träume, Pläne, Witze, das ewige Problem mit den Mädchen, das Geld, das sie auftreiben mussten, das Leben, das sie ändern mussten … Es war dasselbe und doch nicht dasselbe. Einfach weil sie Männer waren und Frauen … anders waren. Frauen sollten bleiben, wo sie hingehörten. Angenommen, eine hatte an diesem Abend, genau an diesem Donnerstagabend Lust, ins Kino zu gehen oder mit ihrem Freund zu ficken, musste sie dann darauf verzichten? Und wenn sie ihrer Mutter oder ihrem Bruder helfen oder arbeiten musste? Musste sie all das hintanstellen, nur weil sie über weibliche Sexualität sprechen wollte? Ich bitte dich!
– Glaubst du wirklich an diese Dummheiten?
– Und du glaubst wirklich, ich bin nur dazu da, gefickt zu werden, wenn du Lust hast?
Libanese steckte den Hieb ein, ohne mit der Wimper zu zucken, und kehrte in seine Mansarde nach Trastevere zurück.
Die ganze Nacht dachte er nach. Er war zu impulsiv gewesen. Bei Giada musste er eine andere Strategie anwenden. Eine Frau von der Straße, eine von der Sorte, mit denen er bislang zu tun gehabt hatte, hätte sich vielleicht anders verhalten. Aber Giada gehörte einem anderen Stamm an. Um sie musste er kämpfen. Aber war sie der Mühe wert? Was bedeutete ihm die Verrückte? Gut, er begehrte sie, aber sie war ja nicht die einzige Frau auf der Welt. Aus einem fernen Winkel seines Herzens flüsterte ihm eine zarte verführerische Stimme zu: Giada ist nicht nur eine Bettgeschichte. Giada ist die Richtige. Und in seinem Hirn, in dem die Träume brannten, sang noch eine Stimme ein ganz anderes Lied: Du brauchst dreihundert Millionen, Libanese. Wo solltest du das Geld finden, wenn nicht bei denen, die es in Hülle und Fülle haben?
Ein Maler, der mit seinen Bildern einen Haufen Geld verdiente, war zum Beispiel ein guter Tipp,
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