Der Koenig von Rom
sofern man ihn zu nutzen verstand. Giada war vielleicht seine Eintrittskarte in die Welt der Reichen. Deshalb musste er sie auf alle Fälle zurückgewinnen. Umso besser, wenn sich das mit Sex verbinden ließ.
Im Morgengrauen war er noch immer wach und klar bei Verstand, fast zu sehr bei Verstand. Zwei Wünsche kämpften in seiner Brust, und einer würde über den anderen triumphieren. Insgeheim wusste Libanese auch schon welcher, aber er wollte es sich noch nicht eingestehen.
Er fand sich damit ab, dass er keinen Schlaf mehr finden würde, nahm die Mussolinibüste, die Schallplatten mit den Reden, die Granate, die Spitze des Bajonetts, das in El Alamein englisches Blut getrunken hatte, die Standarten und Wimpel und sonstigen Devotionalien, steckte sie in einen Sack und versteckte sie im Keller.
Jetzt war alles bereit.
Am Vormittag rief Giada ihn an. Der Künstler gab eine Party. Das war doch eine gute Gelegenheit, um neu anzufangen, oder?
XVII.
Libanese lief in den Räumen mit den hohen Gewölben umher, wo barocke Friese eine heitere Allianz mit Meisterwerken der Avantgarde einhergingen. Er suchte sich eine ruhige Ecke, wo er nachdenken konnte, weit weg von den aufdringlichen Genossen, ihrem lächerlichen Enthusiasmus. Das war er also, der große Libanese! Das war die Stimme der Straße! Giada hat ja so viel von dir erzählt! Das Lumpenproletariat schließt sich uns an und bringt seine chaotische, wilde Kraft ein.
Tatsächlich?
Sie befanden sich im Palazzo des Künstlers. Giada hatte ihm erklärt, dass man das K bei Künstler „bei der Aussprache betonen musste“. Als wolle man damit zum Ausdruck bringen, dass es vor ihm niemanden gegeben hatte und dass es nach ihm niemanden mehr geben würde. Okay, jeder hat so seine Marotten. Ein schönes Haus allerdings. Drei Stockwerke in einem Gebäude am Lungotevere, und jedes Stockwerk war so viel wert, dass nicht nur einer, sondern zehn davon hätten leben können. Der Palazzo des Malers, pardon des Künstlers, war ein Hafen, ein Marktplatz, ein Schlaraffenland. Wenn nicht gerade ein Komplott geschmiedet wurde, wurde hier Poker gespielt, geraucht, getrunken, gesnieft. Es war das Ausbildungscamp der Bewegung. Es war die Spielwiese der Götterkinder.
Willkommen in Giadas Welt, Libano.
Sie war von einer Schar hysterisch kreischender Weiber in Beschlag genommen worden, für ein Gespräch unter Frauen. Plötzlich stand Libanese Sandro gegenüber. Der Junge wurde kalt und abweisend. Libanese gab ihm einen freundschaftlichen Nasenstüber.
– Alles in Ordnung, Sandri’?
– Alles in Ordnung.
– Gut. Mach weiter so.
– Libanese …
– Ja?
– Ich wollte dir sagen … damals an diesem Abend …
– Schon gut, ist in Ordnung.
Von einem Tablett, das gerade vorbeigetragen wurde, nahm sich Libanese ein Glas mit einem undefinierbaren Getränk. Sandro ging ihm nach. Libanese gab ihm zu verstehen, dass es ihm gerade nicht passte, und ging eine Marmortreppe mit rotem Geländer hinauf.
Hinter einer halb offenen, mit Arabesken geschmückten Tür hörte er eindeutiges Stöhnen und Seufzen. Libanese ging hinein. Ein Paar ging aufs Ganze, er vögelte sie von hinten und sie simulierte höchste Lust. Der Künstler saß in einem Sessel und verfolgte das Geschehen mit glasigem, aber konzentriertem Blick.
Libanese kannte das kopulierende Paar. Es waren zwei aus Centocelle. Er taugte nicht mal zum Klauen. Deshalb war er beim Porno groß rausgekommen. Offenbar, dachte Libanese, als er sich diskret zurückzog, war die Straße an den Hof der Götter gezogen.
Schon nach wenigen Schritten spürte er, dass ihn jemand an der Schulter berührte. Er drehte sich um. Der Künstler war ihm gefolgt. Und jetzt blickte er ihn an, mit einem Blick, der zugleich nichts und alles bedeutete. Er war ein kleiner Mann mit bereits angegrautem Haar. Libanese dachte, er hat wunderschöne, aber tote Augen, und er tat ihm unendlich leid. Er drückte ihm die Hand und stellte sich vor. Der Künstler kramte in seiner Tasche und bot ihm etwas an, das sich in einem Briefchen Stanniolpapier befand. Libanese öffnete es. Er tauchte den kleinen Finger in das weiße Pulver, kostete es und schüttelte den Kopf.
– Mit Heroin bringst du dich langsam um.
– Der andere nahm das Stanniolbriefchen zurück und sniefte den Inhalt.
Die beiden „Schauspieler“, der Junge aus Centocelle und seine Freundin, kamen kichernd aus dem Boudoir, sahen Libanese und verstummten. Er warf ihnen einen vernichtenden Blick zu, und
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