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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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mich.« Drohend baute sie ihre vielen Kilogramm vor ihm auf, die Hände angriffslustig auf die ausladenden Hüften gestemmt.
    »Nein, ich betrüge dich nicht.«
    »Was gibt es denn, he? Du hast seit Tagen nur noch einen Schlappschwanz in der Hose. In deinem Alter ist das nur dann der Fall, wenn du ihn oft auslaufen lässt. Bei einer anderen. Oder findest du mich nicht mehr attraktiv?«
    Rima wippte mit ihrem beeindruckenden, in ein Korsett eingezwängten Oberkörper und den beiden fußballähnlichen Wülsten, die sich unter der Bluse drängten und die Knöpfe zu Schwerstarbeit zwangen.
    »Ich finde dich attraktiv.«
    »Dann los, nichts wie hoch ins Bett.«
    Alexanders Unruhe nahm von Tag zu Tag zu: Sie hatten seine
    Personalien. Und wenn einer auf die Idee kam, diese weiterzugeben, dann musste der Schwindel mit dem falschen Ausweis auffallen. Vorsichtshalber bereitete er alles für eine Flucht vor. Außerhalb von Ust-Port in einer verfallenen Hütte, die Rima gehörte, verstaute er seine Reiseutensilien, angefangen vom Schlitten über das Zelt bis zu den Ski. Aber noch Tag kein Schnee. Zusätzlich unterhielt er ein umfangreiches Depot an Nahrungsmitteln und sonstigen lebensnotwendigen Dingen.
    Eine Woche später fielen endlich die ersten Flocken, bald lag alles unter einer dünnen weißen Decke. Tief am Horizont meldete sich, diffus und ohne Kraft, wie eine ausgehende Lampe, die schwächer werdende Sonne.
    Sie kamen tatsächlich. Alexander war vor einem jungen Soldaten vorgewarnt worden, der aber nicht genau wusste, um wen es sich handelte. Ein Mörder und ehemaliger Strafgefangener solle in Ust-Port gesehen worden sein. Die auf dem Stützpunkt warteten nur noch auf die Bestätigung.
    In der darauffolgenden Nacht begann Rima wie von Sinnen zu schreien, als sie Alexander nicht im Haus vorfand. Sie rief überall an, auch bei der Miliz, und machte eine Vermisstenmeldung, denn noch nie sei ein Mann von sich aus verschwunden. Immer habe sie ihn weggeschickt. In wenigen Minuten waren die Grauröcke da und umstellten die Kantine. So schlimm sei es nun auch wieder nicht, meinte Rima. Er habe ja nichts ausgefressen oder mitgehen lassen.
    Lind ob er was ausgefressen habe, berichtigte sie ein Leutnant. Man wisse zwar nicht genau, wer er sei, aber er heiße gewiss nicht David Delkowitsch. Der lebe nämlich in Salechard. Der Leutnant der Miliz vergaß zu erwähnen, dass man dies schon vor mehreren Monaten hatte in Erfahrung bringen können. Damals, nach Alexanders Anmeldung beim Stadtsowjet, war ein Schreiben an die Militärbehörde nach Salechard gegangen, mit der Bitte, die Unterlagen des David Delkowitsch nach List-Port zu schicken. Bei der Gelegenheit erfuhr die Miliz, dass er noch gesund und munter seine Arbeit verrichtete. Ein junger Milizionär hielt dies für einen Scherz oder was auch immer, und die Nachricht wanderte in die Ablage, wo alle Nachrichten irgendwann einmal zu finden waren.
    Erst als man sich jetzt erneut erkundigte, erinnerte sich der arme Graurock wieder. Leider zu spät, denn Alexander war verschwunden. Aber er hatte lediglich einen Vorsprung von einigen Stunden, und das war zu wenig.

    Weiter, weiter, eine neue Flucht ins Ungewisse. Aber diesmal waren ihm die Verfolger dicht auf den Fersen. Alexander hasste es, wie ein Tier gejagt zu werden, genau das würden sie tun, und seine Chancen standen nicht allzu gut. Allerdings hatten sie ihm beinahe ein Jahr Ruhe gegönnt, deshalb war er gut genährt und voller Kraft. Und, vielleicht sein größtes Plus, er hatte die Freiheit kennengelernt und genossen. Nie mehr wollte er sie aufgeben.
    Außer Atem erreichte er den kleinen Schuppen. Unter zusammengebundenem Reisig und getrocknetem Moos lagerten sein Schlitten und die übrige Ausrüstung mit genügend, über Monate haltbaren Konserven und anderen Nahrungsmitteln aus der Kantine, die er immer wieder aufgefrischt und aufgefüllt hatte. Er verstaute noch hastig ein Bettlaken, schnallte sich die Ski an, befestigte die Zuggurte des Schlittens und stapfte in die Dunkelheit hinaus. Es war sechs Uhr in der Früh. Was ihm jetzt noch helfen konnte, war dichter Schneefall, um seine Spuren zu verwischen, und die Dunkelheit eines langen Winters. Gedanklich hatte er sich in den vergangenen Monaten trotz allen Sträubens immer wieder zwingen müssen, eine erneute Flucht einzukalkulieren. Dann gehe ich nach Süden, vielleicht nach Kasachstan oder noch weiter, so lautete sein Plan, und von dort über die Grenze ins

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