Der König von Sibirien (German Edition)
bei Rima, wenn man einmal von ihren überschwänglichen Geschenken in Sachen Liebe absah.
Einer der Soldaten, ein Gefreiter mit riesigen Füßen und klobigen Händen, den sie Oki nannten, machte ihm ohne Scheu einen Vorschlag. »Wenn du mir ein Geschäft vermittelst, fällt selbstverständlich auch was für dich ab.«
»Was kannst du denn anbieten, Oki?«
»Alles. Benzin, Öl, Ersatzteile für Autos und Reifen sofort. Und Funkgeräte.«
Alexander wollte es wissen. »Das kann mir auch jeder andere besorgen. Wie ist es mit Waffen?«
Der Gefreite blickte sich um. Leise fragte er. »Was brauchst du?«
»Kalaschnikow.«
»Kein Problem.«
»Und einen Granatwerfer?«
»Tausend Rubel.«
»Hm. Wie ist es mit einem Maschinengewehr?«
»Eine Woche. Inklusive zweitausend Schuss zweitausend Rubel.«
»Und wie steht es mit schweren Fahrzeugen?«
»Wenn ich genügend Zeit habe, dann ist auch das machbar. Aber sag mal, willst du mich nur aushorchen?« Drohend rückte der große Kräftige näher.
»Ich muss doch wissen, was du im Sortiment hast.«
Oki überlegte, runzelte die Stirn, dann wusste er mit dem Wort Sortiment etwas anzufangen. »Verstehe.«
»Warum hast du mich überhaupt angesprochen?«
Der Gefreite grinste. »Weil du doch inzwischen genau mitbekommen hast, was hier lauft, und die Schnauze hältst.«
»Also, Panzerfahrzeuge und ähnliches. Wie sieht es damit aus?«
Der Gefreite nickte noch näher. »Letztes Jahr hatten wir ein Manöver in den Gyda-Sümpfen nordwestlich von hier. Da sind doch tatsächlich vier Lkw und zwei Panzer abgesoffen. Und mit den Lkw Zelte, Gewehre, Decken und anderes Material.«
»Und wie viele Soldaten sind umgekommen?«
»Keiner, die konnten sich alle retten. Glaube mir, wir haben eine Menge Geld verdient, davon gingen 25 Prozent an den Kommandanten. Im Juni haben wir wieder Manöver. Sag mir nur rechtzeitig Bescheid, was du brauchst. Hör dich mal diskret um.«
»Gilt dein Angebot auch für Pläne von geheimen Militäranlagen?«
Der Gefreite Oki studierte lange Alexanders Gesicht. »Kommt darauf an, was du zu zahlen bereit bist.«
Alexander nahm an Körpergewicht zu. Als der Winter zur Neige ging, fühlte er sich ausgeglichener und kräftiger.
Die Sonne wanderte höher und höher und leckte den Schnee weg. Nur noch an den Nordseiten hielten sich einige Inseln aus Weiß, und dann beeilte sich die Vegetation, als wüsste sie genau, ihr stünden lediglich drei Sommermonate zur Verfügung. Gräser schossen aus dem Boden, Mücken erwachten, Libellen schwirrten umher. Alles blühte in den Tönen Weiß bis Violett, ein riesiger Teppich aus bunten Mustern und Farben. Mit ungeahnter Geschwindigkeit erwachte die Tundra zum Leben: Kleine Sträucher schlugen aus, eine Invasion von Vögeln fiel über die Landschaft her, die vielen Beeren wurden von Tag zu Tag runder und saftiger.
In den zahlreichen Treibhäusern reifte die erste Ernte von Gemüse und Frischobst. Im Winter dagegen versorgte man Ust-Port aus der Luft vom Mutterland, auch Festland genannt oder Materik, was soviel wie Kontinent bedeutete. Das schraubte die Kosten in die Hohe, und jedes Kilogramm Fleisch und Tomaten wurde um drei Rubel teurer. Die Bewohner kamen sich während der neun Monate dauernden Isolation in der arktischen Eiswüste, an mehr als 250 Tagen hatten sie Schnee und Frost, vor wie Insulaner.
Die Kinder durften die kurze Sommerzeit mit den langen Polartagen dazu benutzen, Licht aufzutanken. Oft spielten sie bis weit nach Mitternacht, damit sie die Quarzlampen, die künstlichen Sonnen, in ihren Kinderzimmern vergaßen, mit denen sie während der Kälteperiode vorlieb nehmen mussten. Für manchen Ust-Porter war der Sonnenhunger gefährlicher als die im Winter bis auf minus 60 Grad absinkende Temperatur.
Hie und da bestellte ein Hobbylandwirt seinen Boden und pflanzte Produkte an, die nur eine kurze Vegetationszeit benötigten. Zu gering war sie für Getreide, lediglich zwei speziell gezüchtete Kartoffelsorten versprachen einigermaßen Ertrag.
Arbeitskräfte reisten für wenige Monate an, um im Herbst der Region trotz des Rubel-Zuschlags schnell wieder den Rücken zu kehren. Rima stellte noch einen Mann in der Kantine ein, damit Alexander freigestellt wurde für die Winterbevorratung. Er kaufte die Erträge der wenigen Landwirte und lagerte sie neben anderen Lebensmitteln in Erdgruben, die er mit einer Lage Holz, Segeltuch und getrocknetem Gras abdeckte. Konserven kamen in einem speziellen Raum unter
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