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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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wahr?«
    »Ja, zuerst mit einer wasserdichten Plane. Und dann das Ren getötet und es auf dich gelegt, wegen der Körperwärme des Tieres.«
    »Aber vorher hat er mir noch Blut zu trinken gegeben.«
    Tarike lächelte, und ihre langen schwarzen Haare fielen nach vorn. Alexander fand es anmutig, wie sie Strähne für Strähne aus dem Gesicht strich. Dunkel waren ihre Augen, und sie hatte kaum etwas von einem asiatischen Einschlag.
    Tarike flößte ihm wieder Brühe ein. Von Tag zu Tag wurde das Essen kräftiger, inzwischen schwammen schon kleine Fleischbrocken darin.
    »Ich weiß immer noch nicht, wo ich genau bin.«
    »Im Norden von Mittelsibirien.«
    »Wie heißt die nächste Stadt?«
    »Jessej wird zu klein sein, aber vielleicht Cheta.«
    »Nie gehört.«
    »Katyryk. Kennst du Katyryk?« Alexander schüttelte den Kopf.
    Tarike überlegte. »Wolotschunka, 200 Kilometer im Westen.«
    »Wie weit ist es bis Norilsk?«
    »400 Kilometer. Wir leben am Kotui, nicht weit entfernt ist ein See, und der Kotui macht hier einen großen Bogen.«
    Tarike informierte Alexander, dass ihr Dorf, ungefähr 200 Ewenken lebten dort, identisch mit der Sowchose sei, deren Aufgabe es war, Rentiere zu züchten und den Norden zu bevölkern. Sie seien jetzt noch in ihrem Winterlager, aber feste Häuser, so verriet sie auf Alexanders Frage, kannten sie nicht. Im Sommer zögen sie mit den 5000 Tieren bis an das Eismeer, dort gebe es genügend Moos. Weil das Hauptnahrungsmittel der Tiere aber unter den klimatischen Gegebenheiten sehr langsam wachse, maximal drei Millimeter in einem Jahr, könne man erst wieder im vierten Jahr an die alte Stelle zurückkehren.
    Einzige ständige Verbindung zur Außenwelt sei ein Funkgerät, mit dessen Hilfe man Nahrungsmittel und andere wichtige Dinge bestelle, die dann von einem Flugzeug gebracht würden. Falls einer aus dem Dorf sehr krank sei, ordere man auch schon mal einen Hubschrauber herbei, der den Betreffenden in ein Hospital bringe.
    »Wer hat mich rasiert?«
    Tarike errötete und schaute auf ihre Hände. »Ich musste es tun, wegen der Kälte. Wir haben dein Gesicht mit Kräutern behandelt.«
    »Warum lächelst du so?«
    Tarike deutete auf sein Kinn. »Deshalb.«
    »Was habe ich dort?«
    »So ein kleines ... Loch.«
    »Du meinst ein Grübchen.«
    Sie nickte.
    Wenig später begann Tarike, nachdem Alexander sie dazu aufgefordert hatte, zu erzählen. Ihr Volk lebe vom Ren und von der Jagd und vom Verkauf der Geweihe, die zu Pulver gemahlen - Tarike kicherte und schlug die Augen nieder - als Potenzmittel besonders in Korea und Japan reißenden Absatz fänden. Außerdem schnitzte man aus dem Horn Werkzeuge für die Lederverarbeitung. Knochen der Rentiere dagegen wurden präpariert, um dem Schlitten mehr Stabilität zu verleihen, während Sehnen als Schnüre das Zelt zusammenhielten. Kurz vor dem Winter schlachte man viele Tiere, die, in Schnee und Eis eingefroren, nach und nach von Flugzeugen abgeholt würden. Nur wenige hundert Meter
    entfernt landeten die Maschinen, versicherte ihm die Ewenkin.
    Manchmal schössen die Männer im Herbst oder Frühjahr auch Bären. Sie verehrten den Bär, weil er so stark sei. Und sein Blut tranken sie, um von ihm Kraft zu erhalten. Die fähigsten Jäger dürften sich dann die Tatzen der Bären abschneiden, wer drei Tatzen habe, gehöre zum Dorfrat. Urnak habe die meisten, er sei der beste Jäger und Fallensteller. Aber ihr Stamm, so führte Tarike weiter aus, ziehe keine Bären groß, wie das die Niwchen nahe des Amur täten, die in den zotteligen Kolossen Abgesandte des Waldherrschers sähen.
    Das Brennen im linken Fuß ließ nach, und Alexander schaute interessiert zu, wie Tarike die Wunde versorgte. Neben dem großen Zeh fehlten die beiden nächsten, aber die anderen sahen auch nicht aus wie sonst. Dunkelbraun waren sie, kaum noch ein Übergang von Haut und Nagel festzustellen. Allerdings konnte Alexander sie bewegen, und das beruhigte ihn.
    Tarike stützte ihn, als er zum ersten Mal aufstand und in der Jaranga, dem Zelt, umherhumpelte. Es war größer, als er gedacht hatte, in der Mitte mindestens vier Meter hoch und durch Felle in verschiedene Bereiche unterteilt. Sechs lange Stangen, die sich an ihrem oberen Ende überkreuzten und durch Streifen aus Leder zusammengehalten wurden, trugen die sorgfältig zusammengenähte Bespannung aus Fellen. Deren Außen-und Unterseite hatte man mit Tran und Fett bestrichen, so dass keine Feuchtigkeit eindringen und Kondenswasser an der

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