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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Temperatur nach draußen zu gehen?«
    »Weil uns die Arbeit Freude macht und Besucher, wie ihr aus dem Westen, zu uns kommen, um uns zu fotografieren. Und weil der Sozialismus in seiner Ideologie einen Streik nicht vorgesehen hat. Die Ausbeutung geschieht nur bei den Imperialisten und Kapitalisten. Wir geben unser Herzblut für unser Land und singen noch bei minus 40 Grad. Nur im Sozialismus hat Arbeit einen rechten Sinn, sie ist nämlich zum Wohle aller.«
    Lientscher senkte den Kopf und schwieg. Verstohlen betrachtete er die anderen Männer in der Gastiniza. Harte, kantige Gesichter, vom Wetter gegerbt. Illusionslose Männer mit einer ungewöhnlichen Durchsetzungskraft. Die muss man auch haben, sagte sich der Österreicher, um hier nicht zu Grunde zu gehen.
    »Ihr werdet doch mit allen Gütern besser ausgestattet als das übrige Land. Und außerdem die hohen Arbeitszulagen in Sibirien. Euer Verdienst beträgt mehr als das Doppelte.«
    Alexander sah Lientscher nur an. »Wenn dem so ist, aus welchem Grund verschwinden dann so viele Arbeiter bereits wieder nach wenigen Monaten und hauen einfach ab in den Westen? Die Fluktuation beträgt in manchen Bereichen jährlich bis zu 40 Prozent, aber das Kontingent muss wieder aufgefüllt werden.«
    Lientscher senkte die Stimme. »Etwa mit Strafgefangenen?«
    »Mag sein, dass man die auch einsetzt, hier bei uns gibt es keine. Weil wir öfter Gäste haben«, fügte Alexander mit besonderer Betonung hinzu. »Strafgefangene werden immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehalten. Allerdings kommandiert man Soldaten ab, Tausende von Soldaten, die einem Befehl nachzukommen haben und sich nicht wehren können, genau wie Strafgefangene. Die in Moskau nehmen die Sache verdammt ernst, dabei handelt es sich hier bei uns noch nicht einmal um die richtige BAM. Was wir machen, ist die Erschließung der Region, damit man vielleicht in zwei Jahren mit dem eigentlichen Bau beginnen kann.«
    »Aber die Streckenabschnitte werden doch irgendwann in die Bahnlinie integriert.«
    »Selbstverständlich. Zuerst jedoch errichtet man punktuell Produktionsstätten mit eigener Energieversorgung, damit man das verdammte Material nicht über lausende von Kilometern transportieren muss. Territoriale Produktionskomplexe lautet die offizielle Bezeichnung dafür. Sicherlich eine gute Sache, wenn sie fertig und selbständig sind, also unabhängig und fast autark zum übrigen Sibirien. Und wenn die Prognosen auch eintreffen.«
    Lientscher war von Alexanders Worten beeindruckt, noch mehr jedoch von seinen Ausführungen über das Verschieben von Material, inzwischen ein richtiger Sport und von existentieller Bedeutung. Manchmal sei man dazu gezwungen, verdeutlichte Alexander, weil die versprochenen Dinge einfach nicht geliefert würden und sich der Bau sonst unnötig verzögerte.
    »Wenn wir den Zeitplan einhalten, dann nur, weil wir selbst vieles organisieren, wozu die Planungsbehörden nicht in der Lage sind.«
    »Wie macht ihr das?«
    Alexander grinste. »20 Kilometer entfernt haben wir ein eigenes Bordell. Klassefrauen gibt es dort, sogar welche aus China und Indien. Direktoren von bestimmten Kombinaten sind dort Stammgäste.«

    In den kommenden Tagen sprach Lientscher oft mit Alexander. Das passte dem offiziellen Dolmetscher nicht, der, ganz dienstbeflissen, bei der Aufsicht Meldung machte. Alexander wurde ermahnt, sich nicht zu offensichtlich um den Österreicher zu kümmern, weil der immer, wenn er von ihm komme, so unangenehme Fragen stelle. Leonid, der das alles mitbekommen hatte, warnte Alexander vor den Konsequenzen. Außerdem habe er sich durch sein gutes Deutsch verdächtig gemacht.
    »Morgen geht es zurück.« Lientscher hatte sich an den Wodka gewöhnt und schenkte aus.
    »Und, wie ist Ihr Eindruck?«
    »Ganz einfach: Ich habe mir Ihren angeeignet. Sie haben Recht.« »Können Sie wenigstens etwas von unseren Techniken verwenden?«
    »Wenig. Wir haben nicht die Kälte und nicht die lange Winterperiode. Und wir bauen unsere Trassen anders als ihr.«
    »Warum seid ihr überhaupt gekommen?«
    »Man hat uns eingeladen. Wir liefern von der Firma Voest Maschinen und Ausrüstungsgegenstände, und als Gegenleistung hat man uns eingeladen. Österreicher sind nun mal höflich. Trotz allem hat es uns schon interessiert, wie ihr hier zu Werke geht. Eines kann ich sagen: Unter diesen Bedingungen wären wir längst nicht so weit mit der Arbeit vorangekommen.«
    Für Alexander ein schwacher Trost. Er wollte von

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