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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Koenen konnte er lesen, seinen richtigen Namen und sein richtiges Geburtsdatum: 6. Oktober 1940.
    »Wo hast du das her?«
    »Keine Fälschung. Nach den Originalunterlagen des Bezirks Saratow auf echtem Papier mit originalem Wasserzeichen erstellt. Immerhin haben dich deine Eltern seinerzeit ordnungsgemäß angemeldet.«
    Alexander besah sich die Rückseite. »Aber das muss doch auffallen, wenn man die Daten genauer überprüft. Zum Beispiel diente ich nicht als Robert Koenen beim Militär.«
    »Robert Koenen war, im Gegensatz zu Alexander Gautulin, der ja einen weißrussischen Vater hatte, überhaupt nicht beim Militär. Erstens wegen seiner kränklichen und schwächlichen Konstitution und zweitens, weil Ende der fünfziger Jahre die Kinder von Kollaborateuren und Verrätern nicht genommen worden sind. Auf den echten Robert Koenen hätte man übrigens noch aus einem anderen Aspekt verzichtet. Aus verständlichen Gründen, Vater Verräter, ist er nie bei einer Jugendveranstaltung gesehen worden. Die Geheimrede eines Nikita Chruschtschow, der 1955 auf dem 20. Parteitag die Massendeportationen unter Stalin anprangerte und deine Volksgruppe wieder rehabilitierte, hat daran genausowenig geändert wie der Umstand, dass man deine Landsleute neun Jahre später endlich von der Kollektivschuld freigesprochen hat. Sogar heute noch bleibt euch der Zutritt zu bestimmten Landesteilen verboten.«
    Alexander ereiferte sich. »Aber wir haben doch seit wenigen Wochen laut sowjetischer Verfassung faktisch die gleichen Rechte wie all die anderen Bürger, mit Ausnahme der nationalen Sonderrechte.«
    »Na, erwacht in dir der Deutsche?« spöttelte Nikolai. »Trotzdem wird es so schnell keine autonome Republik für euch geben. Du warst es nicht mehr erleben.«
    »Wo ging ich zur Schule?«
    »In Karaganda, wo die Schule 1959 ausgebrannt ist. Leider existieren keine Unterlagen mehr.«
    »Und meine damalige Anschrift?«
    »Eine Sowchose nahe bei Temitalinsk. Dort hat ein Ehepaar gearbeitet, auch Deutsche und mit Namen Koenen, die es in den Kriegswirren von Saratow weiter nach Osten verschlagen hat. So ein Zufall, nicht? Das Ehepaar ist tot und hat laut Unterlagen seit zwei Wochen noch einen zusätzlichen Sohn. Aber hier hört meine Macht auf. Mehr konnte ich nicht tun.«
    »Wird es funktionieren?«
    »Warum nicht? Keiner außer mir kennt dich mit deinem richtigen Namen Alexander Gautulin. Und allen anderen werde ich dich als Robert Koenen vorstellen, der du ab sofort auch für mich sein wirst.«
    »Habe ich studiert?«
    »Nein, Robert.« Nikolai lächelte.
    » Was war all die Jahre? «
    » Du hast für mich gearbeitet. Mal hier, mal dort, überwiegend in Ostsibirien. Einige Male bist du nur knapp dem Tode entronnen, wie dein Körper unzweifelhaft bekunden kann. «
    » Sehr vage. «
    » Mir wird man glauben, Robert. Inzwischen tauchst du in einigen meiner Berichte auf. Außerdem hast du regelmäßig von mir ein Gehalt und eine Gewinnbeteiligung bekommen. «
    » Willst du mich unter Druck setzen, damit ich mich nicht mehr von dir lösen kann? «
    Nikolais vorhin noch freundliches Gesicht wurde unvermittelt ernst. » Hast du noch immer nicht bemerkt, dass dies gar nicht meine Absicht sein kann? Ich dir sehr ausführlich von meinen Geschäftspraktiken und Verbindungen erzählt habe? Wir haben uns gegenseitig in der Hand. «
    » Was ist, wenn mir dein Angebot irgendwann nicht mehr zusagt? «
    » Dann gehen wir auseinander. Jeder muss den Mund halten, um sich nicht selbst zu gefährden. So ist das nun mal in unserer Partnerschaft. «
    » Was wäre, wenn ich trotzdem plaudern würde? «
    » Eines kann ich dir garantieren: Du kämst nicht in ein Strafgefangenenlager. Diese Sorge kann ich dir nehmen. «
    Verunsichert bemühte sich Alexander, in dem stoischen Gesicht des Sibiriaken etwas zu lesen. » Weil mich die Behörden als Kronzeugen schonen würden? «
    Nikolai verneinte. » Weil man Tote nicht in ein Lager steckt. «

    Sie waren auf dem Weg zu Nikolais Wohnsitz. Er freue sich auf das Zuhause, bald komme seine Tochter, und dann werde er Weihnachten feiern. So nebenbei erfuhr Alexander, dass Nikolai von Geburt an katholisch war, aber Näheres erwähnte er, wie so oft, nicht.
    Damit er, Alexander, eine Vorstellung von der Landschaft bekomme, von ihrer Kraft und Gelassenheit, fuhren sie mit einem erbsengrünen Ursiak, einem allradgetriebenen Armeejeep, dessen Heizung ausgezeichnet arbeitete, auf der zugefrorenen Lena nach Norden. Wellig war die

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