Der König von Sibirien (German Edition)
beiläufig erwähnte. Zwischen den einzelnen Belägen und Brücken, einige waren aus Seide und sehr dicht geknüpft, registrierte Alexander kunstvoll verlegtes Parkett in feinen Holzstäben.
»Nikolai, wie ...« Dem Jüngeren hatte es die Sprache verschlagen.
»Habe ich dir nicht gesagt, dass ich der mächtigste Mann im Lande bin?«
Rechter Hand im Erdgeschoß gab es einen Saal für Festlichkeiten, der mehr als die Hälfte der Hausfläche einnahm. Zweihundert Personen fänden Platz und könnten auch noch tanzen, ohne sich zu behindern, erklärte Nikolai. Auf der gegenüberliegenden Seite der Diele befanden sich das Kaminzimmer und die Bibliothek. An Regalwänden und in Schränken drückte sich Buch an Buch. Alexander spazierte daran vorbei und entdeckte viele ausländische Autoren. Aljoscha, der Literaturstudent aus SIB 12, hätte seine Freude an ihnen gehabt.
In der oberen Etage lagen Nikolais Privaträume. Ein Wohnzimmer, unterteilt durch verschiedene Sitzgruppen, erstreckte sich über die gesamte Haustiefe von fünfzehn Metern, in der Nähe des Fensters stand ein schwarzer Flügel.
»Ich wusste gar nicht, dass du Klavier spielst?«
»Nicht ich, meine Tochter.« Verträumt ließ Nikolai die Fingerkuppen über das polierte Holz gleiten.
Alexander erblickte Möbelstücke, die er von Form und Herstellungsart nicht kannte, und ein Bad, doppelt so groß wie sein gewiss nicht kleines Zimmer nördlich von Tynda im Basislager von Station 22 an der zukünftigen BAM. Mitten im Raum eine große Wanne, drumherum Sitzgelegenheiten und Spiegel hoch bis zur Decke und überall Blattpflanzen, manche rankten um Balken oder kletterten an einem Gerüst bis zur Decke.
»Sind die etwa vergoldet?« Alexander drehte einen Wasserhahn auf und registrierte nicht, wie Nikolai nickte. Als sei die Zeit stehen geblieben, sah der Jüngere sich unvermittelt in das Moskauer Hotel National versetzt. Draußen rumorte der Lärm der Stadt, im Nebenraum Tag Hellen und wartete auf ihn.
Nikolai, dem die Veränderung aufgefallen war, trat näher. »Was ist mit dir? Du bist so abwesend.«
»Schon gut.«
Nikolai wies Alexander im Gästehaus eine Wohnung zu mit Bad, Küche, Schlaf-und Wohnzimmer und einem zusätzlichen separaten Raum, den er, falls er Besuch habe, als Gästezimmer benutzen könne.
»Das wird dein Zuhause sein.«
»Nein.«
Die Ablehnung klang hart, aber Alexander wollte nicht über sich bestimmen lassen und zumindest die Spielregeln ihres Zusammenbleibens mit festlegen. Schätzte er Nikolai vor wenigen Wochen noch als eine potentielle Gefahr ein, weil er so viel über ihn wusste, war er inzwischen anderer Auffassung. Nie würde der Ältere seine Informationen gegen ihn ausspielen, vielmehr war ihm ausschließlich an seiner Person gelegen.
Nikolai schien erstaunt. »Was hat das zu bedeuten?«
»Es wird nicht mein Zuhause sein.«
»Und warum nicht?«
»Nikolai, ich will endlich wissen, wer du wirklich bist.«
»Wird es dann dein Zuhause sein?«
»Vielleicht.«
»In einem Monat oder zwei, so lange musst du dich noch gedulden und lernen. Vorher habe ich einen Auftrag für dich. Bist du mit dieser Regelung einverstanden?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, war Nikolai verschwunden. Er hatte es eilig, denn Alexanders Antwort irritierte ihn. Und er sorgte sich, weil er diesen jungen Mann nicht wie all die übrigen einschätzen konnte, sein Verhalten somit für ihn nicht berechenbarer wurde. »Er ist wie ich«, murmelte Nikolai vor sich hin, während er zum Haupthaus lief. »Verdammt noch mal, er ist wie ich.«
Weluga war Alexanders Ziel, gut tausend Kilometer von Kirensk entfernt. Zwei Möglichkeiten gab es, im Winter dorthin zu gelangen: Mit dem Auto, das dauerte drei Tage, oder mit dem Helikopter in sechs bis acht Stunden, je nach Wandstärke und Richtung. Um einen Eindruck vom Land zu gewinnen, sei ein Auto besser, meinte Nikolai, aber da er ihn in einer Woche wieder zurückerwarte, möge er bitte den Hubschrauber nehmen. Den habe er zusammen mit dem Haus erstanden, fügte der Sibiriake nach einem Blick in Alexanders fragendes Gesicht hinzu.
Noch bei Dunkelheit hob der Pilot den Helikopter ab und flog nach Nordosten. Er tankte einmal, für drei Stunden wurde es hell, und bei Dunkelheit landete er in Weluga. Tolkatsch Nilowitsch, von Alexanders Ankunft informiert, erwartete seinen Besuch und geleitete ihn in ein kleines Hotel. Nach dem üblichen Willkommenstrunk verabschiedete sich Nilowitsch und versprach, ihn am nächsten
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