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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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was ihn nach hier verschlagen habe und wie er auf Nikolai gekommen sei. Alexander, der sich zeitweise wie in einem Verhör fühlte, gab nichtssagende Antworten, hielt sich an die von Nikolai ausgedachte Vita und war erleichtert, als ihn Larissa aus dieser unangenehmen Situation befreite.
    »Können Sie sich vorstellen, dass einer wie Besmertisch so weit nach oben klettern kann?« raunte sie ihm ins Ohr.
    »Das Zentralkomitee bestimmt doch die Parteisekretäre bis hinunter auf Provinzebene.«
    »Leider. Ich kann den schmierigen Typ nicht ausstehen.« Sie führte ihn zum Büffet. »Habe mir gedacht, Ihnen müsste es eigentlich auch so gehen.«
    Sie setzten sich an einen Tisch, und Alexander aß Lachs.
    »Waffenstillstand?«
    Er nickte. »Und keine Spielchen mehr.«
    Unaufgefordert erzählte sie von Nowosibirsk und ihrem Studium. Eigentlich interessiere sie sich nicht besonders für National-Ökonomie, aber jetzt stehe sie kurz vor der Abschlussprüfung, und da wolle sie nicht mehr wechseln.
    »Was liegt Ihnen denn mehr?«
    »Politik. Zum einen, weil die Frauen unterrepräsentiert sind, und zum anderen, weil man noch so vieles besser machen kann.«
    »Zum Beispiel?«
    »Für sein Volk da zu sein und nicht umgekehrt.«
    »Was wollen Sie denn?« Alexander musste lächeln. »Falls man Sie wählt, dann doch mit mehr als neunundneunzig Prozent der Stimmen. Wenn das kein Votum der Allgemeinheit ist?«
    Larissa machte eine abfällige Handbewegung. »Sie und ich wissen doch, wie die Ergebnisse zustande kommen.«
    Als hätte sie sich das Stichwort geliefert, schimpfte sie auf Partei und neue Elite. Zur genüge habe sie Kommilitonen kennengelernt, die bei jeder Gelegenheit die gesellschaftliche Position ihrer Eltern hervorhöben und nebenbei einfließen ließen, dass man sich in speziellen Krankenhäusern behandeln lasse, ausgewählte Ferienorte aufsuche, jeden Studienplatz bekomme und ins Ausland reisen dürfe, wann immer man wolle. Theaterkarten würden für sie reserviert, Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt bekämen sie zugeschickt, Einladungen von exklusiven Geschäften zu Modenschauen in einem engeren Kreis ergingen automatisch.
    Alexander enthielt sich einer Wertung, stand auf und kam mit zwei Gläsern Krimsekt zurück.
    »Auf die Arbeiterklasse!«
    »Larissa, warum so zynisch?«
    »Ach, nichts.«
    »Haben Sie Probleme mit dem Reichtum Ihres Vaters?«
    Ihm kam es wie ein Ablenkungsmanöver vor, als sie, ohne seine Frage zu beantworten, nun scheinbar zusammenhangslos auf die Stellung der UdSSR im Ausland zu sprechen kam. Man müsse unterscheiden zwischen sogenannten Brudervölkern und denen, die für die Industrie wichtig seien wie Japan, Frankreich, Italien, USA und Westdeutschland. In solchen Fällen konstruiere man haarsträubende Rechtfertigungen. Wenn der Teufel wirtschaftliche Vorteile verspräche, paktiere man auch mit ihm.
    Alexander sah das nüchterner. »So ist nun mal die Politik. Unsere Ideologie ist in solchen Fällen sehr dehn-und interpretierfähig, allerdings nicht gegenüber den anderen Staaten des Warschauer Pakts.«
    »Ideologie, dass ich nicht lache! Die größte Volksverdummung aller Zeiten.« Weil einige der Gäste auf sie aufmerksam wurden, sprach sie leise weiter: »Es war natürlich ideologisch gerechtfertigt, vor vier Jahren den Tschechoslowaken beizustehen, auf ihren Hilferuf zu reagieren und in Prag einzumarschieren.«
    »Haben sie uns denn nicht gerufen?« provozierte Alexander, dem es vorkam, als wollte Larissa ihn testen.
    »Das Volk? Nie und nimmer, am wenigsten Dubcek selbst.« Sie schüttelte den Kopf, ihre dunklen Augen funkelten. »Genausowenig wie 1956 die Ungarn und 1953 die Ostdeutschen. Die in Moskau - für wie blöd müssen sie die eigene Bevölkerung halten - tun immer so, als hätte jemand um Beistand gebeten. Das macht sich besser in der Weltöffentlichkeit, weil man demonstrieren will, wie verantwortungsvoll und geschlossen sich der Warschauer Pakt gibt.«
    »Und da unser Sozialismus so gut fürs Volk, für alle Völker ist, dass man ihn jedem aufzwingen muss. Ob es ihn will oder nicht.«
    »Jetzt werden Sie aber zynisch.« Anerkennend sah sie ihn über das Glas an, als hätte sie ihm solche Erkenntnisse nicht zugetraut. »Besteht irgendwann die Gefahr, eine Brudernation könnte abspringen und eigene Wege gehen, dann greift die Dominotheorie.«
    »Wie ein Stein alle anderen umstößt, könnte es auch auf die Zugehörigkeit zum Warschauer Pakt und den Kommunismus bezogen

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