Der König von Sibirien (German Edition)
doch selbst zugegeben. Erinnern Sie sich noch?«
Alexander nickte.
Barrington zog eine Namensliste aus seiner Tasche. »Von diesen Männern sind wir überzeugt, dass sie eines Tages die Nation lenken werden. Keiner von ihnen ist im Politbüro der KPdSU, der sogenannten Machtloge. «
»Wie steht es mit dem persönlichen Stab von Breschnew?«
Barrington winkte ab. »Zwar gibt es den designierten Nachfolger Tschernenko, allerdings sind die Herren alle in die Jahre gekommen und senil. Wie sonst konnten sie auf die Idee verfallen, in ein neutrales Nachbarland einzumarschieren?«
Barrington merkte, wie Alexander sich sträubte.
»Ich verstehe Ihre Bedenken. Aber es gibt in Ihrem Land niemanden, der ein größeres Recht hat als Sie, gegen diese dubiose Oberschicht vorzugehen. Eine Schicht, gestützt auf einen sehr zweifelhaften Apparat, der sich nur durch Protektion und Bestechung an der Macht halten kann.«
Alexander dachte an Besmertischs Unterlagen, die genau das belegten, was Barrington gerade ansprach. Wusste man im Westen auch schon davon?
»Wie hat man Ihnen nicht übel mitgespielt«, Barrington brachte Alexanders Vergangenheit ins Spiel. »Die Lagerhaft mit all den bekannten Unannehmlichkeiten, um nur einen Punkt herauszugreifen. Und wofür?«
Kurioserweise argumentierte der Amerikaner ähnlich wie seinerzeit Besmertisch.
»Ich bin doch nicht die Sowjetunion.«
»Aber Sie kennen Ihr Land und die Schwachstellen.«
»Was könnten Sie, Mr. Barrington, mit den Informationen anfangen?«
»Ist es nicht auch in Ihrem Sinne, gegebenenfalls aus dem Ausland gewisse Mechanismen in Gang zu setzen, die besonders der Bevölkerung der UdSSR helfen könnten?«
»Einen Umsturz?«
Barrington schüttelte den Kopf. »Daran denken wir nicht. Mit etwas mehr Demokratie und einem Hauch von Liberalisierung gäben wir uns schon zufrieden.«
Alexander war nach diesem Treffen sehr nachdenklich. Was der Amerikaner von ihm verlangte, war nichts anderes, als zu spionieren, ihn mit wichtigen Details zu versorgen, die die USA in die Lage versetzen könnten, ihre Taktik neu zu überdenken.
Will ich das, fragte sich Alexander? Welchen Grund habe ich, auf Barringtons Angebot einzugehen, meinem Land Elektronik zu verschaffen, ihm zu helfen und gleichzeitig durch Verrat zu unterlaufen? Das ergibt doch keinen Sinn. Oder verhält sich so die Diplomatie?
Alexander fiel Antropowitschs Rechtfertigung ein, wonach man die Führung zu kontrollieren und jede Seite über die militärischen Pläne der anderen aufzuklären habe. Keine dürfe im Vorteil sein. Und dass Antropowitsch Boris Pasternak zitiert hatte, wonach sie alle Opfer seien, auch die Sieger.
Trotzdem kam er zu dem Ergebnis, Barrington nicht zu unterstützen. Das schloss jedoch keineswegs aus, auch weiterhin aus eigenem Antrieb brisante Dinge zu sammeln, um sie zu gegebener Zeit in seinem Sinne zu verwenden.
An diesem Tag machte sich Alexander zum erstenmal ernsthaft Gedanken darüber, was wohl geschähe, wenn er die Sowjetunion verließe. Geld hatte er genügend, und um sich eine neue Heimat aufzubauen, benötigte er nur seine Familie Aber wäre der Wechsel ins Ausland eine Alternative? Eine Alternative wozu?
Die vier Männer fuhren mit einer großen schwarzen Limousine vor. Drei stiegen aus, der Fahrer blieb sitzen. Die Art, wie sie auftraten, zeigte der Sekretärin, sie waren gewohnt, vorgelassen zu werden. Als sie den Besuch bei Alexander anmeldete, rief dieser nach Leonid und Minsk. Zu sechst saßen sie sich an einem großen Fisch im Besprechungszimmer gegenüber.
Rekunkow, so hieß der Sprecher der drei, war überschlank und braungebrannt und hatte pechschwarze Haare, war aber kein Jakute. Begleitet wurde er von seinen Kollegen Gubilew und Charkowitsch, die jedoch beide in den nächsten zwei Stunden kein einziges Wort von sich gaben. Manchmal allerdings nickten sie drohend, wenn es aus ihrer Sicht dazu einen Anlass gab.
»Was ist der Grund Ihres Besuches?« wollte Alexander wissen, nachdem man sich bekannt gemacht hatte.
Rekunkow wandte sich an Alexander. »Wir haben uns über Sie erkundigt. Ihren Werdegang und ihre Position ausgeleuchtet und die Stellung des Bundes in Mittelsibirien. Wirklich beachtlich, wie Sie das alles im Griff haben.«
Alexander, der Gefahr ahnte, ließ Rekunkow nicht aus den Augen.
»Seit einem Jahr sind wir in dieser Region, inzwischen kennen wir uns etwas aus. Uns gefällt es hier.«
»Wo kommen Sie her?«
»Aus dem Westen. Und dort im
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