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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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aufkeimender Wut stieß Urnak zwischen den Lippen hervor: »Ich würde ihn rächen.«
    Erleichtert fiel Alexander ihm um den Hals. »Danke, Urnak. Danke.«
    Als Alexander sich am nächsten 'Tag von den Ewenken verabschiedete, wusste er, dass er nie mehr zu ihnen zurückkehren würde.

    Das einzige Beständige bin ich, und nur mein Leben zählt, auch wenn es mir nichts bedeutet. Allein mir gegenüber bin ich verantwortlich für das, was ich tue und was ich unterlasse. So sah Alexanders Maxime fair die Zukunft aus. Er, der Mittelpunkt seines Denkens und seiner Umwelt, und in ihm fest verwurzelt die Erinnerung, die all sein Handeln mitbestimmte: angefangen bei Hellen, über die Lagerhaft, seine Flucht, die Familie und deren Ende. Erinnerungen, die zu ihm gehörten als Teil seines Ichs und gegen die er sich nicht wehren wollte. Erinnerungen, die ihn schaudern ließen und zugleich eine Emotionsfülle offenbarten, aus der er all seine Kraft schöpfte.
    »Menschen sterben erst dann endgültig, wenn man sie vergisst. Ich aber werde euch nie vergessen«, versprach er seiner Familie an den Gräbern. Dabei wurde ihm bewusst, wie eng Liebe und Hass in seinem Innern nebeneinander wohnen konnten. Während die eine Hand in Gedanken Larissa und die Kinder streichelte, ballte sich die andere unwillkürlich zur Faust.
    In der Folgezeit ging etwas Fremdes von Alexander aus, etwas Steriles, Unbeteiligtes, als sei es vonnöten, Dinge einfach nur um ihrer selbst zu verrichten, ohne jedes Gefühl und ohne sich Gedanken über sie zu machen. Je mehr er seinen Einfluss vergrößern konnte, desto gleichgültiger wurde ihm alles. Er machte seine Arbeit, er half der Bevölkerung, indem er sie mit Hilfe des Bundes besser versorgte, er organisierte Dinge für den Bahnbau und verdiente gut dabei. Aber das war es auch schon aus seiner Sicht, für alles andere zeigte er kaum Interesse.
    Breschnew starb, die Politführung in Moskau gab sich bestürzt, das Zentrum der Hauptstadt wurde abgeriegelt. Tausende von Polizisten waren im Einsatz, man verschob Hochzeitsfeiern, bunte Bänder wurden entfernt, sie störten die Pietät.
    Von Barrington erfuhr Alexander, dass die Franzosen Breschnews Tod sehr exakt vorausgesagt hatten. Während der alternde Kreml-Chef in Skandinavien weilte, zapfte der französische Geheimdienst ein Stockwerk tiefer die Kanal-und Abwasserrohre des Hotels an und sammelte Breschnews Körperausscheidungen. Mediziner analysierten die unappetitlichen Beweise und kamen zu dem Ergebnis, dass die Leberzirrhose des hochgradigen Alkoholkonsumenten in weit fortgeschrittenem Stadium sei und er höchstens noch drei Monate zu leben habe. Barrington ärgerte sich weniger über die Cleverness der Franzosen als vielmehr darüber, dass der CIA nicht auf diese Idee gekommen war.
    Breschnews Nachfolger Antropow, der ehemalige Chef des Geheimdienstes KGB, wurde inthronisiert und folgte seinem Vorgänger neun Monate später ins Grab. Wieder war das Volk bestürzt, und Barringtons Einschätzung über die Altherrenriege, die er bereits vor Jahren in Tokio gegenüber Alexander geäußert hatte, wurde voll bestätigt.
    Tschernenko, Antropows Nachfolger, war kaum im Amt, als man Robert Koenen gegenüber den Wunsch äußerte, er möge bitte als kompetenter Experte im Planungsrat von Mittelsibirien mitarbeiten. Zuerst wollte Alexander ablehnen, er kannte die Arbeitsweise staatlicher Gremien. Aber Leonid überredet ihn.
    Gleichsam von oben geadelt, ging Alexander, der eine neue Aufgabe auf sich zukommen sah und ein neues Ziel, trotz aller Vorurteile mit viel Enthusiasmus und großen Erwartungen zu den Sitzungen des Rates. Und genau darüber war er am meisten erstaunt. Sein Enthusiasmus legte sich schnell, und Erwartungen hatte er nach vier Monaten nicht mehr, als er begriff, welche hemmenden Mechanismen zur Entfaltung kamen. Stundenlang stritt man sich über die Tagungsordnungspunkte. Kam es wirklich einmal dazu, dass man ein konkretes Projekt ansprach, meldete jeder sofort aus Angst, es könne misslingen, Bedenken an und bestand darauf, mit seinem Einwand im Protokoll vermerkt zu werden. Ob es sinnvoll sei, das Vorhaben jetzt schon in die Tat umzusetzen, dazu fehle doch das Geld, oder es gebe Wichtigeres.
    Einmal schlug Alexander das Komitee mit seinen eigenen Waffen. Eine Brücke über den Oberlauf der Olekma hatte man abgelehnt. Die Bevölkerung könne ruhig weiter die Fähre benutzen, was normalerweise Wartezeiten von zwei Stunden bedeutete, oder einen Umweg

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