Der König von Sibirien (German Edition)
mir, du wirst kommen.«
Der Bärtige erhob sich. »Schließen war bis dahin ein Abkommen? Wir beide bekämpfen uns in diesen Wochen nicht.«
»Einverstanden.«
Als der Elefant gegangen war, schlugen die Häftlinge, die Zeuge der seltsamen Unterhaltung geworden waren, Alexander anerkennend auf die Schulter. »Dem hast du es aber gegeben, Alexander.«
In der Achtung der Strafgefangenen war er um Meilen gestiegen. Das merkte er schon am nächsten Morgen, als er sich anstellte, um sein Brot abzuholen. Sie boten ihm freiwillig ihren Platz an, ganz vorn in der Schlange. Alexander lehnte ab, und das imponierte ihnen noch mehr. Er war der erste, der keine Vergünstigungen akzeptierte.
Keiner wusste besser als Alexander, auf was für ein gefährliches Spiel er sich eingelassen hatte. Aber im Verlauf der Unterhaltung mit dem Elefanten merkte er dessen Verunsicherung, je mehr er selbst auftrumpfte. Die Verunsicherung des Blatnoij nahm zu, denn ein solches Verhalten war der Mächtigste im Lager nicht gewohnt. Ein Umstand trug besonders dazu bei, dass am Ende des Gesprächs die Bereitwilligkeit für eine Art Burgfrieden bestand: Der Elefant konnte Alexander nicht einschätzen. Eine Kraft, die man nicht einschätzen kann, bleibt riesengroß und wird, erst recht, wenn es sich um die des Gegners handelt, zum Unsicherheitsfaktor.
Etwas Neues trat ein. Wolkow, der Schlächter, wurde auf Schritt und Tritt von mindestens zwei weiteren Blatnoij begleitet. Er, der letzte der vier, hatte um Personenschutz gebeten, und der Elefant bewilligte ihn. Überall folgten ihm die finsteren Gesellen hin, sogar bis auf die Toilette und in den ... Waschraum.
»Na, Wolkow, auch A ngst?«
Die lässig hingeworfene Bemerkung vor Alexander verursachte bei dem Angesprochenen ein Zittern der Augenlider und rasches, stoßweises Atmen.
»Wieso sollte ich?« Selbstbewusst sollten die wenigen Worte klingen, aber sie waren bloß gestammelt.
»Nur noch du und ich. Willst du mir nicht ein Messer in den Rücken rammen?«
»Weshalb?«
»Nun, vielleicht ist damit meine Vorsehung beendet, und du wirst verschont.«
» Wovor verschont?«
»Ich weiß nicht. Hast du ein schlechtes Gewissen?«
Wolkow schluckte. Vor Verlegenheit bot er Alexander eine Zigarette an, doch der lehnte ab.
»Und wenn ich mich bei dir entschuldigt?«
»Wozu? Was hast du denn getan?«
»Nun ... äh ...«
»Nein, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich glaube nicht, dass sich die Vorsehung auf diese Art und Weise beeinflussen lässt.«
Inzwischen war der Bau der Halle gut vorangeschritten, und man begann schon weiter in Richtung Berg mit dem zweiten Abschnitt. Dort aber war der Untergrund felsig, Dynamit stand jedoch nicht zur Verfügung. Außerdem galt es, lediglich ein kleines Stück in dem harten Gestein vorzudringen.
Deshalb wurden zwei Kompressoren herbeigeschafft, und dann rückte man dem präkambrischen, braunblauen Material, das wenige Kilometer weiter nördlich nahe bei Polunotschnoje in Schiefer überging, mit Pressluft zu Leibe. Das war Knochenarbeit, die Männer schwitzten in der Junisonne, und das Wasser lief ihnen nur so in Linien den Rücken herunter. Auch Alexander, der sich nicht ausklammerte, obwohl er es hätte tun können, half mit. Sein Stellenwert war enorm gestiegen.
Und immer wieder tauchte Wolkow mit seinem Personenschutz auf. Stets lungerten sie in seiner Nähe herum, noch näher waren sie ihm abends und sogar nachts.
Heute liefen die Kompressoren schon ununterbrochen seit dem Morgen. In der Mittagspause stellte man die lauten Ungetüme ab, um sich einigermaßen unterhalten zu können. Die Männer hockten sich auf Erdwälle und verzehrten ihren mitgebrachten Proviant, denn bis zur Kantine war es zu weit. Nach einer halben Stunde kam das Zeichen des Arbeitsbeginns. Ächzend erhoben sich die Strafgefangenen und stapften zu ihren Plätzen.
Die Kompressoren wurden angeworfen und drehten hoch, als ein tierischer Schrei jedes andere Geräusch überlagerte. Für Sekunden schienen alle regungslos für einen Fotografen zu posieren und auf dessen Zeichen zu warten, bis jemand auf die Idee kam, die Aggregate wieder abzustellen.
»Was ist los?«
Jemand deutete halblinks auf einen Körper, der sich offensichtlich unter unsäglichen Qualen wie ein Wurm am Boden krümmte. Die Häftlinge liefen hin und erkannten Wolkow. Mit einer Hand hielt er sich den Bauch, mit der anderen das Gesäß. Blut sickerte durch den Stoff seines Hosenbodens.
Die Männer kamen
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