Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
Vom Netzwerk:
vor den fünf Männern.
    »Weißt du, wer wir sind?« fragte ein Untersetzter mit Hut.
    »Nein.«
    »Nein, Genosse Oberst, heißt das.«
    Alexander zuckle zusammen. Ein Oberst in Zivil? Das gibt es nur ...
    »Richtig, mein Bürschchen. Wir sind vom KGB, und wir werden uns ausgiebig mit dir unterhalten.«
    »Jawohl, Genosse Oberst.«
    Zwei der Anwesenden stellten sich gleich neben der Tür an die Wand, als wollten sie verhindern, dass Alexander Reißaus nahm, die zwei anderen, einer davon der Oberst, pflanzten sich an Pagodins Schreibtisch auf, der wegrücken und abseits neben dem Fenster sitzen musste. Das passte dem Natschalnik-Olp überhaupt nicht.
    Auf Umwegen tasteten sich die vier Sicherheitsbeamten zum Kernpunkt vor. Dabei versuchten sie, Alexander zu irritieren, indem sie ihn abwechselnd ansprachen, auch die in seinem Rücken. Zuerst wollten sie nebensächliche Dinge in Erfahrung bringen: Alexanders Herkunft, seine Militärzeit, das Studium. Übergangslos kamen sie auf Hellen zu sprechen, die deutsche Agentin, wie sie sie bezeichneten. Alexander protestierte und versuchte Hellen zu verteidigen.
    Aber da landete wieder eine Faust in seinem Gesicht, und er taumelte gegen die Wand.
    »Was hast du Schweinehund dem Roten Kreuz erzählt?«
    Alexander konnte zuerst nichts mit der Frage anfangen, schlagartig erinnerte er sich jedoch wieder: Neue Baracken, Toilette, Kamera und Tonband. Eine klammheimliche Freude machte sich in ihm breit und ein Höchstmaß an Zufriedenheit, weil seine riskante Aktion Erfolg gehabt hatte. Deshalb registrierte er nicht die reale Gefahr, in der er sich befand.
    »Die Wahrheit, Genosse Oberst.«
    Ein scharrendes Geräusch hinter ihm, und sogleich spürte Alexander einen kräftigen Stoß in der Nierengegend. Der darauf folgende Schmerz konnte ihn nicht mehr überraschen.
    Der Oberst wandte sich an Pagodin. »Haben Sie den Film gesehen?«
    Pagodins Gesicht war ein einziges Fragezeichen. »Welchen Film?«
    »Den das Rote Kreuz hier im Lager gedreht hat.«
    Aus Pagodins Gesicht wich alles Blut. »Nein ... Genossen ...« stammelte er. »Was ist denn ...?«
    Während zwei der KGB-Agenten zum Auto eilten und mit Projektor und Filmspule zurückkehrten, schleppte der andere Alexander in den kleinen Saal für politische Schulungen des Wachpersonals, den Pagodin aufschloss.
    »Bitte, Genossen.«
    Schnell war das Fenster verdunkelt, die Spule eingelegt, der Film lief ab. Häftlinge gingen umher, sie machten skeptische Gesichter, Pagodin hielt seine Rede und stolzierte durch die Gegend wie ein Pfau. Unvermittelt kam der krasse Schnitt: Alexander in der Toilette und das auf Deutsch geführte Interview. Einer der KGB-Agenten stellte den Ton leiser, der Oberst las die russische Version von einem Blatt ab.
    »Herr Gautulin, Sie sind Volksdeutscher.«
    »Ja.«
    »Stimmt etwas nicht an dem, was wir heute hier geboten bekommen?«
    »Alles ist nur arrangiert worden, um Sie zu übertölpeln und die Weltöffentlichkeit zu täuschen. Bis vor wenigen Tagen haben wir in Baracken gewohnt ohne Heizung, mit Löchern in den Decken, durch die es regnete. Die Strafgefangenen müssen zehn Stunden am Tag in einem Bergwerk arbeiten und Bauxit abbauen, ohne jegliche Sicherheitseinrichtung und -Vorkehrung, ohne Mundschutz und Frischluftzufuhr. Die Verpflegung ist mangelhaft, trockenes Brot und abgestandenes Wasser. Verbrecher, wir nennen sie Blatnoij, arbeiten mit der Verwaltung zusammen und kassieren die Prämien, die eigentlich den Häftlingen zustehen.«
    »Also Bestechung der Lagerverwaltung.«
    »Und Zusammenarbeit mit ihr weit über das normale Maß hinaus. Wer sich von den übrigen Häftlingen nicht fügt, kommt in Einzelhaft. Wir haben da sehr schöne Einrichtungen. Das kann schon mal, so wie in Lager Perm 35, in dem ich auch war, zum Anschnallen auf einer Pritsche und zu Stromstößen führen. Dazwischen kippt man Wasser über den Körper. Eine andere Variante ist Ultraschall, der einen zum Wahnsinn treibt, woraufhin Sie nur noch mit dem Kopf gegen die Wand laufen wollen. Selbstmord wird der Arzt diagnostizieren und gleich als Begründung für das unsozialistische Verhalten eine psychische Labilität mitliefern. Bei mir wäre es beinahe dazu gekommen.«
    So ging das weiter. Alexander beschrieb die Zustände, wonach viele der Strafgefangenen wegen der mangelnden medizinischen Betreuung an Unterernährung und einfachen Krankheiten stürben. Fast jeder hätte Husten und eine leichte Lungenentzündung. Es gebe keine

Weitere Kostenlose Bücher