Der König von Sibirien (German Edition)
wuchsen auf seinem Rücken. Schon war die Maschine verschwunden.
»Klimkow«, sagte Alexander, kroch unter der Plane hervor und lief zu dem Bärtigen. Mit der Kraft der Verzweiflung schleppte er ihn unter die Plane. Wieder das anschwellende Getöse einer Propellermaschine. Sie fauchte über ihr Versteck, ohne zu schießen. Alexander wunderte sich, und dann kam ihm die Erkenntnis: Die Plane war auf der Außenseite mit Tarnfarbe versehen und bei den diffusen Lichtverhältnissen aus der Luft nicht zu erkennen. Und von Klimkow dachte der Pilot vielleicht, er sei in den Fluss gefallen.
Der Verwundete atmete schwer. Zwei Einschüsse hatte er im Rücken, und auf der Brust, dort wo die Kugeln wieder ausgetreten waren, große, zerfetzte Löcher.
»Klimkow, halt durch!«
Alexander erkannte die Unsinnigkeit seiner Worte, denn der Kumpel würde nicht überleben.
»Es war schön, noch einmal die Freiheit zu genießen. Auch wenn es nur für kurze Zeit war«, hörte er Klimkow schwach sprechen.
»Schone dich, rede nicht so viel.«
Alexander fühlte sich hilflos. Er presste sein Hemd auf ehe Brust des Gefährten und hoffte, damit die Blutung stillen zu können. Gleichzeitig spürte er, wie am Rücken der Lebenssaft aus dem mächtigen Körper austrat und warm über seine Beine lief.
»Komm, verlass mich nicht.«
Klimkow drehte den Kopf in Alexanders Richtung. Um ihm in die Augen zu schauen, war es nicht mehr hell genug.
»Jetzt musst du alleine weiterziehen. Zeig es den Kerlen, lass dich nicht schnappen. Geh´ nur, wenn es dunkel ist. Noch in dieser Nacht musst du aufbrechen, denn morgen werden sie hier sein. Hinterlasse keine Spuren, lauf im Wasser. Keine Spuren, sag' ich. Verstanden?«
Klimkows Kopf fiel zur Seite. Alexander lachte schon, er sei tot. Aber er atmete noch. Nach wenigen Minuten sprach er weiter.
»Lass mich liegen. Gleich am Ufer. Und lass einen Teil meiner Sachen zurück. Sie sollen denken, ich sei allein gewesen.«
»Und die Spuren hinter uns?«
»Es wird in der Nacht regnen.«
»Woher weißt du das?«
»Ich weiß es.«
Alexander streichelte Klimkows Kopf, wie Rassul es bei ihm getan hatte. Mit einemmal empfand er mehr als nur Sympathie für diesen riesigen Mann. So etwas wie Freundschaft. Das war eine ganze Menge für jemanden, der beinahe drei Jahre in einem Straflager verbracht, den Abschaum der Menschheit kennengelernt und die Verrohung und noch vieles mehr am eigenen Leib gespürt hatte.
»Jetzt das wichtigste. Ich habe dir von den Plänen erzählt, die von dem Atom-U-Boot. Ein Freund bewahrt sie auf. Er lebt nahe Nowosibirsk. Sage nur: >Strahlende Sonne auch nachts<, dann wird er sie dir aushändigen.«
»Was soll ich damit anfangen?«
»Du Dummkopf. Wer hat dich all die Jahre eingesperrt?«
»Der Staat.«
»Wer hat mich ...« Klimkow hustete. Schaum trat aus seinem Mund, warmer Schaum. Alexander vermutete, es war Blut. Demnach hatte man seine Lunge getroffen.
»Der Staat.«
»Dann gehe hin und schädige den Staat! Bekämpfe ihn auf deine Weise. Und tue es für mich! Schwöre es.«
»Ich schwöre es.«
»Viktor Antropowitsch, so heißt mein Freund. In Gorudne, einer kleinen Stadt unweit von Taiga, das ist bei Nowosibirsk.«
»Klimkow, wir kennen uns schon so lange. Wie heißt du eigentlich mit Vornamen?«
»Witali.«
Klimkow schwieg. Für immer.
»Mach es gut, Witali.« Noch eine halbe Stunde trauerte Alexander um den Gefährten, dann tat er all das, was ihm Klimkow geraten hatte. Er schleifte den schweren Körper an den Fluss, die Beine legte er ins Wasser, und begann mit dem Aufbruch. In die Plane legte er alle Nahrungsmittel, für eine Woche würden sie noch genügen. Obendrauf kamen der Regenmantel und Klimkows zweite Jacke, dann rollte er die Plane zusammen, verschnürte sie, schnallte sie sich auf den Rücken und beseitigte seine Spuren. Ein letzter Blick zu dem Toten, neben ihm Tag seine Ausrüstung. Entschlossen marschierte Alexander los. Er hielt sich immer im seichten Wasser dicht am Ufer. Und während er noch mal das Bild vor Augen hatte, wie Klimkow unter den Kugeln zusammenzuckte, erschauerte Alexander. Woher konnte der Pilot wissen, dass er einen der ausgebrochenen Strafgefangenen vor sich hatte?
Eine Stunde später begann es zu regnen.
Alexander wanderte Nacht für Nacht, tagsüber ruhte er sich aus. Einige Male hörte er Flugzeuge über sich hinwegdonnern, und nach einer Woche, als er dachte, das Schlimmste sei überstanden, wachte er vom Knattern eines
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