Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
hoben sich. „Genau. Aus dem Wehrmachtsgeneral war gerade ein piekfeiner Präsident geworden.“
„Wusste er vom Bernsteinzimmer?“ Benjamin hatte sich eine Teetasse genommen und fuhr mit dem Zeigefinger über den Rand des Porzellans.
Maria legte ihre Hände aufeinander. „Ich habe nie danach gefragt. Das Bernsteinzimmer war für Thalberg und Fritz ein Heiligtum. Es war ihre raison d’être – wie einen Gral haben sie es gehütet und gepflegt für den großen Tag, an dem Deutschland wieder auferstehen sollte.“
„Vielleicht hat uns Falkenhayn deshalb nicht die Wahrheit gesagt.“ Zoé richtete sich auf. „Er wollte uns glauben machen, dass ein Vertrauter des Gauleiters das Bernsteinzimmer Ende Januar auf der Pretoria gemeinsam mit den Hindenburg-Särgen von Königsberg nach Bernterode bei Göttingen gebracht habe. Von dort soll es dann über Weimar bis in ein Versteck im Erzgebirge transportiert worden sein, und zwar auf direkten Befehl von Erich Foch.“
„Genauso war es ja auch!“ Maria schaute sie ungerührt an, während sie fortfuhr. „Der Mann hieß Albert Poss und war ein ausgesprochen stattlicher Fliegeroffizier.“
Zoé hatte das Gefühl, nichts von dem begriffen zu haben, was ihre Großmutter soeben erzählt hatte.
Kapitel 42
Zoé sah ihre Oma an, die sich eine weitere Tasse von dem dunklen Tee eingoss und vergnügt sagte: „Alle glauben, dass die Bernsteinpaneele in einem dunklen Stollen im Erzgebirge vermodern – genau wie Thalberg es vorhergesagt hat. Obwohl keiner von uns damals auch nur einen Pfennig darauf verwettet hätte, dass er damit recht behalten sollte. Es war ein aussichtsloses Himmelfahrtskommando, vierzig Kisten voller Bernstein und weitere hundert Kisten mit der Kunstsammlung des Gauleiters durch Bomben- und Granathagel bis ins Erzgebirge zu transportieren.“ Sie trank langsam und stellte die Tasse behutsam zurück auf den Tisch. „Aber Albert Poss hat es geschafft!“
Noch immer konnte Zoé ihrer Großmutter nicht ganz folgen. „ Mamie, könntest du bitte so nett sein, uns endlich zu verraten, was genau Poss von Königsberg über Swinemünde, Göttingen und Weimar bis ins Erzgebirge transportiert hat?“
„Zunächst einmal die Foch’sche Kunstsammlung, die dann teilweise in Weimar zurückgeblieben ist, weil die Amis schon anrückten.“
Zoé reichte es langsam, so auf die Folter gespannt zu werden. Ungeduldig schob sie ihre Hände unter die Oberschenkel. „Und was noch?“
„Bernstein natürlich, ma petite! “
„Also doch das Bernsteinzimmer? “
„Nicht so eilig, mein Kind.“
Resignierend lehnte Zoé sich zurück und seufzte: „Oui, Mamie. J’attends.“ Sie richtete ihren Blick nach oben an die Decke und zählte im Stillen die Lichter des Kronleuchters.
„In Poss’ Kisten befand sich nicht das Bernsteinzimmer, sondern unbehandelte Bernsteinstücke.“
Zoé fiel fast von der Couch. „Unbehandelter Bernstein?“
Maria nickte. „Ja, Fundstücke aus der Ostsee, meist hatten sie noch nicht einmal die begehrten Inklusen – alles nicht besonders kostbar.“
Zoé richtete sich auf. „Warum zum Teufel hat der Gauleiter vierzig Kisten mit wertlosem Bernstein durch halb Deutschland transportieren lassen?“
Ihre Großmutter strahlte sie an. „Weil er dachte, dass sich in den Kisten das Bernsteinzimmer befand.“
„Ein Ablenkungsmanöver!“ Benjamin lachte laut auf. „Es gab also zwei Transporte, einen mit den Bernsteinstücken und der Raubsammlung des Gauleiters, geführt von Poss im Auftrag von Foch – und einen weiteren mit dem Bernsteinzimmer, geführt von Falkenhayn im Auftrag von Thalberg. Der eine ging ins Erzgebirge, der andere nach Schweden.“
Zoé lehnte sich wieder zurück und betrachtete ihre Großmutter mit zusammengekniffenen Augen. Maria schien von innen zu leuchten. Vor Bewunderung fehlten Zoé die Worte. Benjamins Vergleich der Bernsteinzimmer-Legende mit dem Hütchenspiel kam ihr in den Sinn. „Ihr wart genial!“, stieß sie schließlich hervor.
„Ja“, erwiderte Maria. „Foch hat bis zu seinem Tod in polnischer Gefangenschaft geglaubt, dass das Bernsteinzimmer Ostpreußen zusammen mit seiner Kunstsammlung verlassen hat.“ Ihre Augen blitzten amüsiert. „So hatten wir völlig freie Hand, um unbehelligt die Bernsteintafeln aus Königsberg herauszuschaffen. Noch heute muss ich zugeben, dass Thalberg und Fritz die Operation perfekt geplant hatten. Das Bernsteinzimmer stand verpackt in vierzig Kisten im Kellergewölbe
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