Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
nicht Maria Adler?“
„Doch, mein Kind. Aber vorher hieß ich anders. Vorher war ich auch noch ein kleines naives Mädchen, das einen großen hübschen Offizier heiraten wollte, um viele Kinder zu kriegen. Und ich glaubte noch, der Krieg sei gewonnen und bald vorbei. Und meine Eltern und meine drei Schwestern waren noch nicht bei einem Luftangriff ums Leben gekommen. Und Dachau und Auschwitz waren noch harmlose, friedliche Städtchen für mich.“ Zoé fühlte Marias Hand sanft über ihre Wange streicheln. „Da wusste ich noch nicht, in welcher Hölle ich eigentlich lebte. Aber 1943, als ich in Königsberg aus dem Zug stieg, da wusste ich, dass etwas Schlimmes im Gange war.“ Sie blickte jetzt sehr ernst. „Kurze Zeit später wurde ich Maria Adler.“
Zoé war so tief beeindruckt, dass sie nicht in der Lage war, nach dem richtigen Namen ihrer Oma zu fragen. Sie musste sich erst an den Gedanken gewöhnen, dass sie einst eine Spionin gewesen war. „Warum hast du nicht …?“ Sie stockte und versuchte die richtigen Worte zu finden. „Ich meine, hast du freiwillig mitgemacht?“
„ Ma petite, glaubst du etwa, Thalberg hätte mir eine Wahl gelassen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber, ehrlich gesagt, brauchte er das auch nicht. Damals war die FHO meine Familie. Und Thalberg so etwas wie ein großer Bruder, dem man einfach gehorchte. Außerdem war ich felsenfest davon überzeugt, dass das Bernsteinzimmer um jeden Preis vor den Russen gerettet werden musste und auch auf keinen Fall in die Hände des korrupten Gauleiters fallen durfte.“ Nachdenklich berührte sie ihren dreifachen Goldring. „Heute kann man nicht mehr verstehen, welche ungeheure Symbolik das Bernsteinzimmer für uns hatte. Es war der Grundstein für den Wiederaufbau des Deutschen Reiches.“ Sie seufzte. „Ich hätte damals – ohne zu zögern – mein Leben dafür gegeben.“
Davon war Zoé restlos überzeugt. „Und wie hat Thalberg den Museumsdirektor dazu gebracht, bei der Verschwörung mitzumachen? Hast du …“ Zoé stockte, und erneut fehlten ihr die Worte. „Ich meine, hast du etwas über den Direktor herausgefunden?“
„Nein. Brandner hatte eine lupenreine Weste: keine Verfehlungen und geheimen Leidenschaften. Wahrscheinlich hatte er noch nicht einmal bemerkt, dass ich eine Frau war.“
Entsetzt schaute Zoé ihre Oma an. „Du hättest doch nicht …?“
„Nein, nein, mein Kind“ Über Marias Gesicht huschte ein belustigter Ausdruck. „Auch nicht für Großdeutschland – jedenfalls nicht mit dem Schlossdirektor. Aber so weit kam es ja auch gar nicht. Brandner war im Grunde nur an Bernstein interessiert. Er war einer der wenigen Museumsdirektoren ohne Parteibuch der NSDAP. Doch er war natürlich ein glühender Patriot. Ich glaube, er sah sich als von Gott berufener Hüter des deutschen Grals aus dem Ostseegold, wie er das Bernsteinzimmer häufig nannte. Für russische Besitzansprüche oder gar Kritik an der Plünderung des Katharinenpalasts hatte er nicht das geringste Verständnis. Nach dem Eintreffen der Bernsteinplatten in Königsberg hat er die Heimholung des Bernsteinzimmers nach Königsberg als nationale Heldentat überschwänglich bejubelt.“
Zoé dämmerte allmählich, woher Brandners Motivation für die Unterstützung von Thalbergs und Falkenhayns großem Coup kam. „Spätestens als im Sommer ’44 auch Ostpreußen zur Zielscheibe der alliierten Bomber wurde und die Rote Armee immer weiter auf die Weichsel zumarschierte, wurde Brandner wahrscheinlich klar, dass sein geliebter Bernsteinschatz in ernster Gefahr war und dringend evakuiert werden musste.“
Maria nickte. „Ja, das Problem war nur, dass man das berühmte Prachtzimmer nicht so einfach abtransportieren konnte. Denn es unterlag dem Führervorbehalt. Ohne ausdrückliche Zustimmung Hitlers durfte es Königsberg nicht verlassen. Brandner hat immer gehofft, dass der Führer es noch rechtzeitig in Sicherheit bringen würde, aber nichts geschah. Berlin reagierte auf keinen seiner vielen Anträge auf Evakuierung des Bernsteinzimmers.“ Ein freudloses Lächeln huschte über Marias Gesicht. „Der Führer hatte damals wohl Wichtigeres zu tun, als sich um den Preußenschatz zu kümmern. Als Brandner dann im Dezember 1944 erfuhr, dass Foch die Bernsteinpaneele gemeinsam mit seiner Raubkunstsammlung verschiffen wollte, ist bei ihm Panik ausgebrochen. Er war völlig hysterisch und hat sich stundenlang in seinem Büro eingeschlossen. Am selben Abend kam er zu
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