Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
Falkenhayn erwähnte, zuckte ihre Großmutter unmerklich zusammen.
„Du kennst ihn, Oma. Du warst mit ihm in Königsberg.“
Maria schluckte schwer, griff nach einer Tasse und pustete leicht über die braune Oberfläche des dampfenden Tees. „Ich habe Fritz schon so lange nicht mehr gesehen.“ Mit heiserer Stimme fragte sie: „Wie geht es ihm?“
„Er ist tot.“ Zoé fasste sie am Arm. „Er hat sich umgebracht.“ Während sie die Ereignisse in den Alpen schilderte, wischte Maria sich mit einem Taschentuch immer wieder Tränen aus den Augen. Als Zoé ihren Bericht beendet hatte, trank Maria wortlos die Tasse aus. Ihre Augen lagen verborgen unter fast geschlossenen Lidern. Dann stellte sie die Tasse auf den Tisch zurück und sah ihre Enkelin an.
„Könnte es sein, dass Thalberg Fritz erschossen hat?“
Zoé rutschte unschlüssig auf der Couch hin und her. „Thalberg war zwar vor uns in Falkenhayns Haus, aber wir wissen nicht, ob er ihn noch lebend angetroffen hat.“ Sie seufzte. „Die äußeren Umstände deuteten jedenfalls auf Selbstmord hin. Falkenhayn lag auf dem Boden und die Pistole neben ihm.“
„Wie sah die Waffe aus?“
Benjamin beugte sich vor. „Es war eine Walther.“
„Walther PPK – Fritz’ Pistole.“ Marias Blick verlor sich für einen Moment in den Falten ihrer Schürze. „Und Thalberg will wirklich das Bernsteinzimmer an die Russen verkaufen?“, fragte sie fassungslos.
„So hat es uns Falkenhayn erzählt.“
Maria schüttelte den Kopf. „Allein für diesen Gedanken wäre man früher von Thalberg erschossen worden.“
„Falkenhayn wollte den Verkauf unbedingt verhindern. Deshalb hat er mit mir Kontakt aufgenommen – er wollte die Operation durch gezielte Indiskretionen vereiteln. Ich sollte einen Artikel über das Bernsteinzimmer schreiben.“
Maria blickte sie ungläubig an, drehte den Kopf nachdenklich zur Seite und schaute sie dann wieder an. „Du sagst, Fritz hat gelächelt, als er gestorben ist?“
„Es schien so.“ Sie nahm ihre Oma in den Arm. „ Mamie , sag uns endlich, was das alles bedeutet. Ich kann immer noch nicht glauben, dass auch du in diese Sache verwickelt bist.“
Unvermittelt huschte auch über Marias Miene ein Lächeln. Sie strich sich eine unsichtbare Strähne aus der Stirn und begann zu erzählen.
Während des Krieges war sie in Berlin tätig als Stabshelferin für die Verwaltung des Oberkommandos der Wehrmacht und hatte in dieser Zeit das staubige Archiv im Keller des Hauptquartiers kaum verlassen. Ihre einzige Abwechslung war eine Fortbildung gewesen. Vom ersten Tag an hatte sie Russisch lernen müssen. Warum, das hatte man ihr nie gesagt. Und dann kam plötzlich die Versetzung in die Abteilung Fremde Heere Ost. Am 17. Juli 1943 fuhr ihr Zug im Königsberger Hauptbahnhof ein, wo sie bereits ein Unteroffizier erwartete, um sie in das geheime Hauptquartier in den ostpreußischen Wäldern zu bringen. Und damit hatte die Geschichte ihren Lauf genommen.
Marias eindringliche Schilderung der Ereignisse, die sich in den letzten Kriegsmonaten in Königsberg abgespielt hatten, nahm Zoé völlig gefangen. Die teure und umständliche Untersuchung des Kommandobefehls an Gommel hätte sie sich sparen können – ein Anruf bei ihrer Großmutter hätte genügt, um eine Erklärung für Gommels plötzliches Verschwinden zu erhalten. Ihre eigene Oma hatte den SS-Mann in einem Kampf auf Leben und Tod getötet. Zoé blickte in das faltige Gesicht, über das sich ein unverhohlener Stolz gelegt hatte. Nie hätte sie ihr eine solche Kaltblütigkeit zugetraut. Maria schien Zoés Irritation bemerkt zu haben und streichelte ihr über die Wange. „Es waren andere Zeiten, mein Kind.“
Zoé erhob sich und schenkte allen Tee nach, dann setzte sie sich an Marias Seite. „Warum war Thalberg damals nicht in Königsberg?“
„Eigentlich wollte er um jeden Preis das Bernsteinzimmer selbst herausschleusen.“ Ein kurzes Lächeln lief über Marias Gesicht. „Aber er musste kurz zuvor nach Berlin-Zossen, wo die FHO sich mittlerweile einquartiert hatte. Verabredet war, dass er in wenigen Tagen wieder nach Königsberg zurückkehren würde, um gemeinsam mit Fritz das Bernsteinzimmer herauszuschmuggeln. Ich hatte den strikten Befehl, mit Dr. Brandner, dem Museumsdirektor, in Königsberg zu bleiben. Auf diese Weise wollte Thalberg jeden Verdacht des Gauleiters von vornherein ausschließen. Es war vorgesehen, dass Brandner und ich bis zum bitteren Ende in der Stadt
Weitere Kostenlose Bücher