Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
sie zu. „Auch der Dienst war von Anfang an mit NS-Leuten durchsetzt. Der General selbst war sicherlich kein fanatischer Anhänger Hitlers, aber es ist auch kein Geheimnis, dass eine ganze Reihe von ehemaligen SS-Leuten aus dem Sicherheitsdienst, der Gestapo und anderen Verbänden in seiner Organisation Unterschlupf fanden.“
„Heinz Felfe“, warf sie ein. „Auch ein wichtiger Bestandteil meiner DDR-Erziehung.“ Der ehemalige SS-Mann Felfe hatte mit seinen alten Kameraden Clemens und Tiebel bis in die sechziger Jahre für den BND gearbeitet. In Wahrheit hatten die drei Männer allerdings einen Spionagering gebildet, der jahrelang systematisch hochbrisantes Geheimdienstmaterial an den KGB lieferte.
„Das war wohl die schlimmste Schlappe, die der BND je einstecken musste. Aber die drei Verräter zeigen recht gut, wie wenig sich der Dienst um die braune Vergangenheit seiner Mitarbeiter scherte. Ein SS-Führungszeugnis schien damals noch immer so etwas wie ein Empfehlungsschreiben zu sein.“ Reißfeld drückte mehrfach auf die Fernbedienung des Beamers. „Hier findest du alles, was der nationalsozialistische Terrorapparat zu bieten hatte und der BND bei seinem Spionagekrieg gegen die Russen für unverzichtbar hielt. Vom sadistischen Massenmörder bis zum gewissenslosen Opportunisten. Beispielsweise den BND-Angehörigen Hans Eichele.“ Reißfeld las den Text auf der Projektionsfläche des Beamers laut vor: „Ehemaliger SS-Sturmbannführer mit der SS-Nummer zwo-eins-sechs-vier-null, geboren am ersten Mai 1901. Eichele war zeitweise Standortkommandant des Konzentrationslagers Dachau. Oder Josef Anetzberger, erst SS-Wachmann im KZ Sachsenhausen, dann beim BND …“
„Genug.“ Langsam musste sie einschreiten, denn Reißfeld war sonst nicht mehr zu stoppen. Doch der Minister war gerade erst in Fahrt gekommen. „Eine interne Untersuchung hat ergeben, dass der BND schon 1952 den Aufenthaltsort von Adolf Eichmann in Argentinien kannte, ohne es zu melden. Sogar der SS-Mann, der Anne Frank in Amsterdam verhaften und deportieren ließ, hat später für den BND gearbeitet. Und auch sein Präsident selbst ist nicht gerade ein in der Wolle gefärbter Demokrat gewesen. Nach CIA-Berichten hat er 1956 Putsch-Pläne erarbeiten lassen, für den Fall, dass die Adenauer-Regierung durch eine Volksfrontbewegung aus Sozialdemokraten und anderen abgewählt werden würde.“
Nichts anderes hatte sie von dem Geheimdienstchef erwartet, und sie winkte ab. „Schnee von gestern, Arno. Entscheidend ist doch nur, dass es einen Verräter in den Reihen der Schattenkrieger gibt, der den Verkauf des Bernsteinzimmers offensichtlich verhindern möchte. Dieser Mann kann uns zu den Verschwörern führen. Wir müssen ihn unbedingt finden.“
Reißfeld brummte irgendetwas Unverständliches – ein, wie sie wusste, schlechtes Zeichen.
„Wir wissen bis heute rein gar nichts über unseren Informanten.“ Wieder traf sie ein besorgter Blick. „Ich hatte es dir noch nicht gesagt.“ Reißfeld presste kurz die Lippen aufeinander. „Es sieht so aus, als ob wir unseren Mann verloren haben.“
„Was?“
„Unser Informant hatte vor knapp vierzig Stunden angekündigt, einen Beweis für die Existenz des Bernsteinzimmers zu liefern. Vermutlich ein besonderes Stück, das nachweisbar aus dem Kunstwerk stammt. Die Quelle wollte kurzfristig ein geheimes Versteck bekanntgeben, wo wir das Teil abholen sollten.“
„Ich weiß. Ich habe deinen Bericht gelesen.“
„Seitdem herrscht absolute Funkstille. Er hat auf keines unserer Zeichen reagiert. Wir hatten für den Notfall abgemacht, dass wir ein bestimmtes Inserat in der FAZ aufgeben. Er sollte nach dem Erscheinen eine sichere Telefonnummer anrufen, aber es gab keine Reaktion. Wir gehen davon aus, dass die Quelle abgeschaltet wurde.“
Sie erhob sich von ihrem Sessel, suchte mit den Füßen nach ihren Schuhen und schlüpfte hinein. „Arno, mach bitte den Beamer aus.“ Sie ging zum Fenster und drückte auf einen Schalter an der Wand. Unter den hochgleitenden Jalousien strömte das Sonnenlicht wieder ins Büro. „Wenn der Informant wirklich ausgeschaltet wurde, kann das auch vorteilhaft für uns sein. Es kann einen wertvollen Zeitgewinn für uns bedeuten, den wir unbedingt nutzen müssen.“
Lange blickte Reißfeld sie an. Er hatte die Kanzlerin genau verstanden. „Du meinst, der Verkauf des Bernsteinzimmers kann geräuschlos abgewickelt werden, wenn der Informant …“, er stockte, „…
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