Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
nicht mehr am Leben sein sollte.“
Sie nickte. „Das Bernsteinzimmer wird still und heimlich verkauft. Die Paneele wandern in irgendein geheimes Versteck in Russland, und niemand wird davon erfahren. Der erwartete Skandal bleibt aus. Die Bundesregierung müsste nicht zurücktreten“, sie lächelte ihn an, „und wir beide blieben im Amt, so dass du weiter nach den Verschwörern suchen könntest.“
„Aber das Bernsteinzimmer wäre für immer verloren.“
Sie musterte ihren Innenminister. Wo war bloß sein legendärer politischer Instinkt geblieben? „Das Bernsteinzimmer ist 1945 im Königsberger Schloss verbrannt. Es existiert nicht mehr.“ Sie fixierte seine dunkelbraunen Augen, die ihren Blick starr erwiderten. „Falls es doch irgendwann einmal irgendwo auftauchen sollte, haben wir jedenfalls nichts damit zu tun.“
Eine Weile stand gespannte Stille zwischen ihnen wie eine Barriere. „Gut“, sagte er schließlich mit belegter Stimme. „Was machen wir mit Parker und dem Mädchen?“
Ein leises Summen ertönte, und sie drückte auf eine Taste an ihrem Schreibtisch.
„Schmitt, für den Minister“, ertönte die Stimme der Sekretärin aus einem eingelassenen Lautsprecher. „Ja“, antwortete die Kanzlerin mit einem fragenden Blick zu Reißfeld.
Die holzverkleidete Tür zum Vorzimmer öffnete sich, und der breitschultrige Sicherheitsmann mit dem militärischen Kurzhaarschnitt trat ein.
„Haben Sie sie dabei?“, fragte Reißfeld.
„Jawohl, Herr Minister“, antwortete der Mann und legte eine dunkle Plastikbox auf den Schreibtisch.
„Danke. Sie können gehen“, sagte Reißfeld und rollte zu dem Tisch hinüber. Mit einer schnellen Bewegung öffnete er die Box, während der Polizist sich zurückzog. Zum Vorschein kam ein ölig glänzender, handlicher Revolver mit kurzem Lauf. „Das ist eine Smith & Wesson Chiefs Special . Geladen und gesichert. Kannst du damit umgehen?“
„Arno, auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Ich bin in der DDR aufgewachsen und habe selbstverständlich einen ausgezeichneten Waffenkundeunterricht genossen. Aber was soll der ganze Quatsch?“
„Hör zu. Ich habe dein Wachpersonal überprüfen lassen und jeden ausgewechselt, der nicht zu einhundert Prozent sauber war.“
„Nett von dir, aber das hatte Schmitt bereits getan.“ Hauptkommissar Schmitt war nun seit über zehn Jahren an ihrer Seite, und sie vertraute ihm blind. Entgegen allen Gepflogenheiten hatte sie sogar einmal eine Einladung von seiner Frau und ihm nach Hause angenommen. Auf der Rückfahrt von einer Wahlkampfveranstaltung nach Berlin hatte sie einen kurzen Abstecher bei den Schmitts und deren drei Kindern im Mecklenburgischen gemacht. Während sie mit seiner Frau, einer Blondine mit einem fröhlichen Wesen, bei einer Tasse Tee geplaudert hatte, saß Schmitt angestrengt dabei und hatte vor Stolz kein Wort herausgebracht.
„Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Nimm die Waffe, für alle Fälle.“ Eindringlich schaute Reißfeld sie an.
„Du hast bestimmt auch Schmitt checken lassen?“
„Natürlich!“
„Das war ebenso überflüssig wie das Ding hier.“ Sie zeigte auf die Pistole. „Oder glaubst du etwa, ich werde mir den Weg aus dem Kanzleramt freischießen?“ Manchmal fragte sie sich wirklich, was in den Köpfen ihrer männlichen Kollegen so vor sich ging. Entschlossen klappte sie die kleine Waffenkiste wieder zu und reichte sie ihrem Minister. „Und was Parker angeht, er bleibt eine große Hoffnung.“
„Das Mädchen und er sind in höchster Lebensgefahr.“
Sie schaute an ihm vorbei und schwieg.
„Wir sollten endlich eine verdeckte Fahndung rausgeben, bevor es zu spät ist. Mit etwas Glück sind die beiden noch nicht in die Hände der Verbrecher gefallen, und wir können sie retten.“ Fordernd schaute Reißfeld sie an.
„Nein.“ Sie schlenderte zurück zu ihrem Schreibtisch und lehnte sich an die Tischkante, ihre Arme fest vor der Brust verschränkt. „Keine Fahndung. Parker ist unser einziger Köder. Er hat keinen operativen Wert mehr für uns, wenn er einmal aus dem Spiel ist. Wir müssen warten.“
Reißfeld warf ihr einen ablehnenden Blick zu, legte die Pistolenbox auf seinen Schoß und steuerte schweigend auf die Tür zu.
Nachdenklich drückte die Kanzlerin erneut auf eine Taste am Tisch, um die Tür zu öffnen, und beobachtete, wie ihr Innenminister mit ruckartigen Bewegungen den Rollstuhl ins Vorzimmer manövrierte. Kurz bevor die Tür sich wieder schloss,
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