Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
„Aus der Sicht des Auslands wäre vor allem die deutsche Regierung tief in die Affäre verstrickt. Man würde glauben, die Deutschen hätten den Traum von einem Vierten Reich nie aufgegeben. Die Wiederbewaffnung der Bundeswehr, die Wiederherstellung der Einheit und der Souveränität, die Kriege auf dem Balkan und am Hindukusch – all das würde plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen, wenn die Sache publik wird.“
Die Kanzlerin konnte es immer noch nicht fassen. Die bundesdeutsche Polizei unterwandert von einer Bande Altnazis? Und niemand war den Verschwörern in den letzten sechzig Jahren auf die Schliche gekommen? In ihr völliges Unverständnis für diesen Vorgang mischte sich mehr und mehr Ärger. „Arno, du musst schnellstens deinen Laden in den Griff bekommen! Ich erwarte von dir, dass ich mich auf die Polizeikräfte der Bundesrepublik bedingungslos verlassen kann.“
Reißfeld hob abwehrend die Hände. „Wir sind ja schon dabei. Zurzeit läuft eine rigorose interne Überprüfung sämtlicher Führungskräfte. Außerdem habe ich einen Sonderstab gebildet, der ausschließlich aus handverlesenen Frauen und Männern besteht. Wir arbeiten mittlerweile notgedrungen wie die Freimaurer. Derjenige, für den nicht mindestens drei absolut vertrauenswürdige Kollegen bürgen, besteht den Aufnahmetest nicht. Der Betroffene erfährt davon natürlich nichts. Aber ich brauche Zeit …“
„… die wir nicht haben!“
Reißfeld warf seinen Rollstuhl herum und steuerte auf das große Fenster zu. „Da hast du allerdings recht. Nach den letzten uns zugespielten Informationen soll das Bernsteinzimmer in Kürze verkauft werden“, sagte er grimmig.
Sie spürte den Jähzorn in sich aufsteigen wie eine Fontäne, und ihr Oberkörper schnellte unwillkürlich vor. „Das BKA verkauft das Bernsteinzimmer, und wir müssen ohnmächtig zusehen!“ Ihre linke Hand knallte flach auf den Tisch. „Das darf doch alles nicht wahr sein!“ Kopfschüttelnd schaute sie ihn an. „Arno, wenn sich Foch damals in Königsberg das Bernsteinzimmer unter den Nagel gerissen hat, dann müssen wir doch herausfinden können, wer seine Vertrauensleute waren.“ Verzweifelt warf sie die Hände in die Höhe. „Ich meine, es muss doch zu überprüfen sein, wer von denen heute noch lebt und wer bei der Polizei nach Kriegsende Karriere gemacht hat.“
Reißfeld lenkte den Rollstuhl wieder zu ihr. Sorgenfalten verunstalteten sein ebenmäßiges Gesicht, und er schaute sie ernst an. „Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht, welche Organisation 1945 noch in der Lage war, eine Operation wie den Raub des Bernsteinzimmers durchzuführen. Seit heute Morgen glaube ich nicht mehr, dass wir es hier mit Leuten aus der Entourage des Gauleiters zu tun haben. Foch verfügte damals gar nicht über eine Organisation, die hierfür schlagkräftig genug war. Er war fest in die Partei- und SS-Struktur eingebunden, in der er seine Macht genoss, aber letztendlich jeder Funktionär den anderen misstrauisch beäugte und kontrollierte. Foch hatte bestenfalls eine Handvoll Vertrauter, das hätte aber nie gereicht. “Er strich sich eine Locke aus dem Gesicht. „Ich vermute, dass eine ganz andere Organisation Foch das Bernsteinzimmer abgeluchst hat – und da es die Abwehr damals nicht mehr gab, bleibt eigentlich nur ein Dienst übrig, der noch in Betracht kommt: die Abteilung Fremde Heere Ost.“
„Die FHO!“, entfuhr es der Kanzlerin.
„Ja, ich glaube, dass das Bernsteinzimmer von ehemaligen FHO-Angehörigen geraubt wurde.“
Sie ließ sich wieder zurück in ihren Ledersessel fallen, verwundert über sich selbst. Da hättest du doch allein drauf kommen können! Natürlich war die Operation eine Nummer zu groß für die Langweiler des BKA, nicht aber für einen Mastermind wie den legendären Chef der FHO.
Sie konnte nun getrost auf weitere nachrichtendienstliche Berichte und Analysen in dieser Frage verzichten. „Du hast recht“, sagte sie laut. „Er hat 1945 das Bernsteinzimmer geklaut und ist dann zu den Amerikanern übergelaufen, samt seiner Mannschaft und dem Geheimarchiv über die Rote Armee.“ Sie verschränkte die Hände vor dem Gesicht und atmete laut durch die Finger aus. „Als langjähriger BND-Chef konnte er die Bernsteintafeln problemlos versteckt halten. Wahrscheinlich hat er mit seinem Schatz sogar die damalige Bundesregierung erpresst.“ Und du darfst die Suppe jetzt auslöffeln!
„Ganz sicher.“ Reißfeld rollte langsam auf
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