Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
verblichenem rotem Plastik, und das stählerne Vehikel setzte sich ruckelnd in Bewegung.
Langsam sank der Fahrstuhl in die Tiefe.
Als sie die Reichweite der Flutlichtanlage auf der oberen Ebene verlassen hatten, spendete nur noch eine schwache Glühbirne an der Decke fahles Licht. Zoé warf einen kurzen Blick auf die beiden Männer. Parkers und Böhms Gesichter wirkten bleich, und dunkle Schatten lagen unter ihren Augen.
Der Aufzug rumpelte durch die geheime Schachtröhre des Salzbergs immer tiefer hinab.
Von Zeit zu Zeit erschienen Markierungen an den Wänden des Schachts. Durch die Gitterwände des Aufzugs waren große schwarze Zahlen auf weißgetünchtem Grund zu erkennen, die die Tiefe angaben: 300 m .
Böhm hatte einen regungslosen, leeren Blick aufgesetzt, den er sich wahrscheinlich bei unzähligen Paraden und Zapfenstreichen angewöhnt hatte.
Seit sie den Aufzug betreten hatten, hatte keiner von ihnen gesprochen, bis Parker in die Stille hinein sagte: „Wir dachten, dass das Bergwerk schon seit den fünfziger Jahren nicht mehr zugänglich ist. Angeblich sollen die beiden Schachtröhren sogar mit Bohrschlamm und Schutt für alle Ewigkeit verschlossen worden sein.“
Böhm blickte ihn an, ohne dass die Leere in seinen Augen ganz verschwand. „Das ist die offizielle Version.“
Parker erwartete erneut sein lautes Lachen, aber er wurde enttäuscht. Ernst sprach Böhm weiter: „Das Kalibergwerk Volpriehausen diente als eine gigantische Täuschungsanlage. Zweifellos von einem genialen Kopf erdacht, dem Ironie nicht fremd war.“ Er räusperte sich. „Bekanntlich sind 1945 tief im Bergwerk gewaltige Mengen an Sprengstoff in die Luft gegangen. Ich vermute, dass es sich hierbei um Sabotage gehandelt hat, aber das ist meine persönliche Meinung.“ Er machte eine wegwerfende Geste. „Auf jeden Fall ist die Schachtanlage Wittekind-Hildasglück durch die Detonationen derart stark in Mitleidenschaft gezogen worden, dass auf vielen Ebenen Grundwassereinbrüche zu verzeichnen waren und man sich aus Sicherheitsgründen in den fünfziger Jahren dazu entschlossen hat, die Schachtröhren zu verfüllen. Offiziell war die Mine damit für immer verschlossen.“ Böhm verschränkte seine Hände hinter dem Rücken. „Ich schätze, dass Thalberg damals schon mit dem Bau des dritten Schachts begonnen hat.“
Parker überlegte. „Dann wusste er, dass Teile der Schachtanlage intakt geblieben waren.“
„Vielleicht war er 1946 bei der Bergung der Kunstgegenstände dabei“, schaltete Zoé sich in das Gespräch ein.
„Er oder einer seiner Männer.“ Böhm atmete tief aus. „Und es ist ja auch kein Geheimnis, dass man damals noch große Bereiche der unterirdischen Anlage vollkommen unversehrt vorgefunden hat. Es gibt Berichte aus der Zeit, nach welchen die Bergungstrupps auf viele Kammern gestoßen sind, in denen Hunderte von Granaten lagerten – fein säuberlich übereinandergestapelt.“
„1946 war die Organisation bereits wieder voll einsatzfähig.“ Parker erinnerte sich an ihre Recherchen über die Org im Internet. „Wahrscheinlich hat Thalberg zu diesem Zeitpunkt bereits händeringend nach einem sicheren Lagerort für das Bernsteinzimmer gesucht.“
„Echt pfiffig, das Bernsteinzimmer gerade hier zu verstecken“, sagte Zoé anerkennend. „Fast jeder Gewölbekeller und jeder halbwegs bombensichere Stollen zwischen Amsterdam und Königsberg ist in den letzten Jahren von Schatzjägern unter die Lupe genommen worden, nur das Versteck im Kaliberg Volpriehausen galt als unerkundbar.“
Parker nickte. Thalberg hatte ein wahres Kunststück vollbracht, indem er das Sichtbare vor aller Augen unsichtbar gemacht hatte.
Zoé biss sich auf die Unterlippe. „Thalberg musste nur in aller Seelenruhe seinen geheimen Schacht graben und warten, bis die anderen beiden Schächte verfüllt waren. Dann konnte er das Bernsteinzimmer verschwinden lassen.“
„Ganz so einfach war es wahrscheinlich nicht“, erwiderte Böhm. „Auch Thalberg hatte mit dem eindringenden Grundwasser zu kämpfen. Wenn wir unten sind, werden Sie die starken Sicherungsmaßnahmen sehen, die er veranlasst hat. Die haben da einiges an Beton und Stahl verbaut.“
Parker sah die nächste Tiefenangabe an ihnen vorübergleiten: 400 m .
„Genau unter uns verläuft der alte Tunnel, der Wittekind mit Hildasglück verband. Von diesem Tunnel ist eine Vielzahl von Gängen und Kammern zu erreichen. Die Kammer liegt ungefähr zweihundert Meter von der
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