Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
nur noch in seiner Erinnerung.
„Ja. Sie ist es.“ Er näherte sich dem toten Körper. Seine Hand verharrte vor dem wächsernen Gesicht, und ihm stockte der Atem. Dann streichelte er über die kühle Haut ihrer unbeweglichen Wange. Eiseskälte umschloss sein Herz.
Er verlor das Gefühl für die Zeit, stand einfach da und starrte auf den reglosen Körper.
„Hatten Sie in letzter Zeit Kontakt zu Frau Kreifelts, Herr Parker?“, brach die Staatsanwältin schließlich das Schweigen.
Er musste sich konzentrieren, um auf die Frage zu antworten. „Nur wenig. Wir haben uns das letzte Mal im Oktober in München anlässlich irgendeines Empfangs im Rahmen der Kunstmesse gesehen.“
„Sie haben auch nicht mit ihr telefoniert, E-Mails geschrieben oder sonstwie kommuniziert?“
„Doch. Wir haben uns seit Oktober ein paar E-Mails geschrieben. Und für heute Abend waren wir verabredet.“
„Frau Kreifelts wusste also, dass Sie sich in Berlin befinden?“
Er nickte.
„Sie waren eng mit der Toten befreundet?“
„Das kann man so sagen. Wir kannten uns schon seit dem Studium.“
„Auch beruflich sind Sie gemeinsame Wege gegangen?“, hakte die Staatsanwältin weiter nach.
„Sie war Anwältin, vielleicht die erfolgreichste Kunstrechtsanwältin in Europa, jedenfalls eine der allerbesten. Und ich habe, wie Sie bestimmt wissen, die universitäre Laufbahn auf dem gleichen Gebiet eingeschlagen. So blieben wir auch beruflich die ganzen Jahre in engem Kontakt.“
„Letztes Jahr haben Sie gemeinsam mit Frau Kreifelts vor dem englischen High Court einen spektakulären Prozess geführt und die Restitution einer Sammlung expressionistischer und impressionistischer Gemälde an die Erben der ursprünglichen Eigentümer erreicht. Die Kunstwerke wurden damals auf einen Gesamtwert von über hundert Millionen Euro geschätzt.“
„Hinsichtlich des Werts der Gemälde bin ich von meinen Auftraggebern zur Verschwiegenheit verpflichtet worden. Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Alles andere kann ich bestätigen.“ Seine Stimme war schwer und kam ihm fremd vor. Er schaute die Ermittlerin an. „Lassen Sie mir ein paar Augenblicke. Dann können wir reden.“
Sie nickte und trat einen Schritt zurück.
Ihm war schwindelig, und er stützte sich am Obduktionstisch ab. Die Kühle des Marmors glitt in seinen Körper und vermischte sich dort mit einem verzehrenden Feuer in seiner Brust.
Wieder hatte er einen Menschen verloren. Wieder hatte er nicht helfen können, als es darauf ankam. Er starrte auf das schneeweiße Laken, das ihren Körper fast vollständig bedeckte und auf dem seine herabfallenden Tränen winzige kreisrunde Flecken bildeten.
Tief atmete er aus und drehte sich wieder zur Staatsanwältin um. „Was wollen Sie wissen?“
Die Ermittlerin antwortete sofort. „In der Presse stand, dass Frau Kreifelts ein Honorar in Höhe von über einer Million Euro für den High-Court-Fall erhalten haben soll.“
Er zuckte mit den Achseln und schwieg. Was ging es die Staatsanwaltschaft an, dass die Zahl stimmte? Ihm selbst hatte man für seine Tätigkeit ein Honorar in gleicher Höhe überwiesen.
„In der Klatschpresse war ferner zu lesen, dass sie ein Liebesverhältnis mit dem Gutachter begonnen haben soll.“ Zum ersten Mal zeigte sich auf ihrem Gesicht eine Art Lächeln. „Mit Ihnen.“
Ihm war die Berichterstattung damals mehr als nur unangenehm gewesen. Zwar hatte ihn keiner der Kollegen an der Universität direkt darauf angesprochen, doch hinter seinem Rücken dürfte der Spott wohl umso heftiger über ihn ausgeschüttet worden sein.
Und kurze Zeit später war das Feuer der Leidenschaft bei Anne auch schon wieder erloschen – ein Umstand, der ihm nicht das erste Mal mit ihr passiert war.
Er warf der Staatsanwältin einen ernsten Blick zu. „Sie scheinen ein Faible für den seichteren, gefühlsbetonten Journalismus zu haben.“
Sie kniff die Augen zusammen. „Ich ermittle hier in einer möglichen Straftat. Vergessen Sie das bitte nicht. Und Sie sind die einzige Person, mit der die Verstorbene noch kurz vor ihrem Tod versucht hat, Kontakt aufzunehmen. Ihr Verhältnis zu Frau Kreifelts ist daher durchaus von Interesse. Warum sind Sie eigentlich gestern nicht an Ihr Telefon gegangen?“
„Ich hatte das Handy ausgeschaltet, weil ich mich in Ruhe auf ein Fernsehinterview und ein Gespräch im Bundeskanzleramt vorbereiten wollte.“ Seine eigene tonlose Stimme drang an sein Ohr, hohl und leer. „Erst heute Morgen habe ich
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