Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
zu stark gepanzert.“ Langsam trat er einen Schritt zurück und warf sich dann selbst mit seinem ganzen Körper gegen die Stahltür. Stadler hörte das dumpfe Geräusch deutlich durch seinen Kopfhörer. Doch nichts geschah. Grübelnd strich er sich über den Schnauzbart. Am Ende würde ihm nichts anderes übrigbleiben, als einen Feueralarm im Hotel auszulösen, um den geheimnisvollen Gast aus der Suite zu locken.
Plötzlich veränderte sich die Szene, und Stadlers Miene erstarrte. Blinkende Leuchten oberhalb der Aufzugtür signalisierten einen ankommenden Lift.
Sofort reagierten die Sicherheitsleute. Während der größere sich dicht an die Wand links neben den Aufzug stellte, kniete sich der kleinere Mann mit gezückter Waffe hin und zielte genau auf die noch verschlossene Aufzugtür. Stadlers Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als der Lift die Etage erreichte und stoppte. Die beiden holzvertäfelten Aufzugtüren glitten auseinander und gaben den Blick auf das Innere frei.
„Nein!“, schrie Stadler auf, nachdem sein Verstand begriffen hatte, was seine Augen ihm da übermittelten.
Auf dem Bildschirm des Laptops sah er einen elegant gekleideten Herrn, etwa dreißig Jahre alt, um dessen Hals sich der muskulöse Arm eines extrem kräftig wirkenden Mannes gelegt hatte. Der bullige Verbrecher drückte den schallgedämpften Lauf einer schwarzen Pistole an die Schläfe des Hotelgastes. Verängstigt hatte die Geisel beide Arme erhoben.
„Waffe fallen lassen!“, hörte Stadler den Befehl des Geiselnehmers über die Mikrofone der Sicherheitsleute.
Doch die Männer verharrten in ihren Positionen. Ruhig zielte der kleinere auf den Kopf des Verbrechers.
„Waffe runter!“
Stadler rutschte aufgewühlt auf seinem Stuhl hin und her. Widersprüchliche Gedanken jagten ihm durch den Kopf, und ihm war schmerzhaft bewusst, dass er eine schreckliche Entscheidung treffen musste.
Die Geisel befand sich in größter Lebensgefahr – genau wie die Frau in der Präsidentensuite. Wen sollte er vorziehen, wen beschützen und wen seinem Schicksal überlassen? Die Männer warteten auf seine Befehle. Selbst wenn er einfach schwieg, lag darin eine unwiderrufliche Entscheidung über Leben und Tod. Stadler stöhnte. Schweiß rann ihm über die Stirn, als er flüsternd in das Mikro sprach: „Zeit gewinnen. Die Polizei ist gleich im Hotel.“
Der Gangster fluchte laut, als er registrierte, dass der Wachmann sich nicht rührte. „In drei Sekunden schieße ich ihm das rechte Ohr weg, dann das linke, dann die Nase und so weiter – eins!“
Resignierend sah Stadler, dass der Sicherheitsmann seinen Revolver langsam senkte, bis er ihn schließlich auf dem Boden ablegte und beide Hände vorsichtig von der Waffe wegbewegte. Und dann wurde Stadlers Blick starr. Der hünenhafte Wachhabende stand weiter eng an die Wand gepresst, mit der gezückten Waffe in der Hand. Wie eine Echse an einem Felsen lauerte er dort – unsichtbar für den Geiselnehmer im Inneren des Aufzugs. Stadler verschlug es die Sprache, und das Blut raste in seinen Adern. Es war ein Hinterhalt. Seine Männer wollten die Geisel befreien!
Unbewusst nahm er die Havanna aus dem Mund und legte die Zigarre wieder auf die Glasplatte, auf der sich bereits ein kohlschwarzer Brandfleck gebildet hatte. Ihm stockte der Atem. Der Angriff auf den Geiselnehmer würde in einem Blutbad enden, schoss ihm durch den Kopf. Doch er war unfähig, die steinerne Lähmung, die ihn befallen hatte, abzuschütteln und einzugreifen. Der schwarze Lauf der Pistole klebte weiterhin an der Schläfe der Geisel. Vorsichtig und überaus misstrauisch schob der Gangster sein Opfer Zentimeter für Zentimeter aus der Aufzugskabine heraus.
Stadler hielt den Atem an.
Die Geisel bewegte sich in Trippelschritten langsam in den Flur hinein. Wie unter Hypnose beobachtete Stadler das Geschehen. Die in die Höhe gestreckten Hände der Geisel zitterten, als der Mann nach einer quälend langen Zeitspanne vollständig aus dem Aufzug trat. Sein Gesicht war ungewöhnlich hübsch und weiblich. Der tailliert geschnittene, perfekt sitzende Anzug mit dem übertrieben breiten Revers unterstrich die feminine Wirkung noch. Stadler wunderte sich, dass ihm dieser dandyhafte Gast bisher noch nicht aufgefallen war.
Die Augen der Geisel flackerten der Hysterie nahe hin und her, und Stadler betete, dass der Dandy den Wachmann nicht durch eine unbedachte Reaktion verriet. Doch er schien den Sicherheitsmann noch gar nicht wahrgenommen
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