Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
den Achseln. „Möglich. Doch wessen Blut sich auf dem Papier befindet, kann man natürlich nicht so einfach feststellen, wenn man – wie wir – keine Vergleichsproben hat. Fest steht aber, dass das Blut wahrscheinlich über ein halbes Jahrhundert alt ist.“
Parker pfiff durch die Zähne. Der Befehl war echt, das bewies sein blutiges Siegel. „Also beginnt die Fährte zum Bernsteinzimmer wirklich bei Gommel.“
„Fast.“ Zoé zog die Augenbrauen zusammen. „Wenn es da nicht den Zufallsfund eines kleinen Jungen im Kohlenkeller seiner Eltern gegeben hätte.“
Kapitel 26
Parker hatte Zoé bereitwillig das Steuer überlassen und schaute vom Beifahrersitz aus in die Dunkelheit. Gedankenverloren nahm er einen Schluck von dem Automatenkaffee, der im Pappbecher hin und her schwappte. Der Kaffee schmeckte zwar mehlig, schaffte es aber immerhin, seine Lebensgeister wieder zu wecken. Zoé hatte die Schilderung der Ereignisse während des Tankstopps unterbrochen und jagte nun den Jaguar mit fast zweihundert Stundenkilometern über die Autobahn. „Nun schießen Sie schon los!“, nahm er den Faden wieder auf. „Was hat der Junge im Keller gefunden?“
„Der Junge hieß Rudi Ryst und hatte den Fund schnell wieder vergessen – bis er Jahre später, 1959, einen Artikel in der ostdeutschen Zeitung Freie Welt über das Bernsteinzimmer las. Umgehend wandte er sich an die DDR-Behörden und gab an, dass er wichtige Informationen über den Verbleib habe. Sofort verfrachteten die ostdeutschen Beamten Rudi Ryst ins Ministerium für Staatssicherheit, wo er tagelang vernommen wurde. Die Agenten fuhren mit Ryst sogar nach Königsberg, um vor Ort nach dem Bernsteinzimmer zu suchen, doch es war vergebens.“
Ungläubig schüttelte Parker den Kopf, obwohl er schon davon gehört hatte, dass sogar die Stasi dem Mythos erlegen gewesen war. Gespannt hörte er Zoés Bericht weiter zu. „In den Geheimdienstprotokollen findet sich ungefähr folgende Aussage von Rudi Ryst: Er habe als Kind kurz nach dem Krieg beim Spielen im Kohlenkeller seines Elternhauses eine schon stark vermoderte Kartentasche gefunden.“ Ihre Augen blitzten Parker verschwörerisch an. „Die Tasche enthielt teilweise vergammelte und nicht mehr lesbare Papiere, aber auch noch Brauchbares. Darunter angeblich sogar ein Ausweispapier, das SS-Chef Heinrich Himmler persönlich unterzeichnet haben soll. Erinnern konnte sich Rudi Ryst noch gut an einen Befehl, der an seinen Vater gerichtet war.“ Zoé hielt einen Moment inne, bevor sie weitersprach. „Bei seinem Vater handelte es sich um einen SS-Obersturmbannführer namens Gustav Ryst. Und wie der Zufall es so wollte, gehörte der ältere Ryst zu den engsten Vertrauten von …“ Sie schaute ihn auffordernd an, und Parker tat ihr den Gefallen.
„Erich Foch.“
„Klar. Nach Rudi Rysts Erinnerung hatte der Befehl einen Inhalt, der Ihnen bekannt vorkommen dürfte. Darin stand, dass das Unternehmen Grün drohte, so dass Vater Ryst die Aktion Bernsteinzimmer durchführen und das Bernsteinzimmer in das Versteck B III bringen sollte. Zudem konnte der kleine Ryst sich noch an eine entsprechende Vollzugsmeldung vom alten Ryst ans Reichssicherheitshauptamt erinnern.“ Zoé machte eine Pause, und ihre Augenbrauen hoben sich.
„Diesmal also B III und nicht B I und II“, befand Parker.
„Und Ryst statt Gommel“, ergänzte Zoé. „Was dafür spricht, dass das Blut auf dem Befehl tatsächlich von Gommel stammen könnte. Möglicherweise ist ihm irgendetwas zugestoßen, und Foch sah sich gezwungen, ihn kurzfristig zu ersetzen.“
„Weiß man, wann der Befehl an Ryst ergangen ist?“
„Das lässt sich nicht mehr feststellen. Klein-Rudi hat dazu jedenfalls nichts ausgesagt.“
„Und wo befinden sich die Papiere heute?“
„Ist alles von Mutter Ryst sofort verbrannt worden, als sie mitbekam, was ihr Sohnemann da so aus dem Kohlenkeller hinaufbeförderte. Der alte Ryst war schon tot. Die Frau hatte wohl eine Heidenangst, von den Russen als Nazi-Verschwörerin verhaftet zu werden.“
„Woran ist der Vater denn gestorben?“
„Offiziell an den Spätfolgen eines Lungensteckschusses, den er sich im Krieg zugezogen hatte. Aber das war schon Jahre her und behinderte ihn laut Zeugenaussagen nicht sonderlich. Überhaupt schien es ihm und seiner Familie nicht gerade schlecht ergangen zu sein. Nach Aussage von Rudi Ryst haben seine Eltern regelmäßig mysteriöse Geldzahlungen erhalten, deren Herkunft nie geklärt werden
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