Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
wäre sie auch mit etwas weniger hündischer Zuneigung ausgekommen. Parker schaute auf die Uhr und lockerte seine Beinmuskulatur. Sie warteten noch fünf Minuten und liefen dann zu dem Abstieg. Sekunden später waren sie außer Reichweite des Hauses.
Die Treppe bestand genau wie der obere Zugang zum Haus aus gemauerten Stufen und war durch ein hölzernes Geländer gesichert. Die Stufen waren an vielen Stellen mit Eis bedeckt und äußerst rutschig, dennoch ließen Zoé und Parker jede Vorsicht außer Acht. Sie liefen und stolperten so schnell wie möglich die Treppe hinunter. Mehrfach rutschte Parker auf den vereisten Stufen aus und konnte sich im letzten Moment noch am Geländer festhalten. Der Weg führte in endlosen Schleifen steil den Berg hinab. Zoé folgte dichtauf.
Er vermochte nicht zu sagen, wie lange sie den Berg hinuntergejagt waren, als er plötzlich ebene Erde unter seinen Wanderschuhen spürte. Er griff nach hinten und fing Zoé auf, die noch im vollen Schwung war. Behutsam stellte er sie auf den Boden.
„Da drüben ist etwas“, sagte sie.
Tatsächlich zeichnete sich in der Dunkelheit ein Gebilde ab. Vorsichtig näherte er sich dem großen Schatten, dessen Konturen im Mondlicht vage hervortraten. „Es ist eine Scheune oder so etwas Ähnliches.“ Die Vorderseite des Schobers war komplett offen, und in das Innere fiel plötzlich heller Mondschein, als die Wolkendecke für einen Moment aufriss. Er konnte zwei nebeneinanderstehende Geländewagen erkennen, die beide schwere Schneeketten auf den Reifen trugen. Schnell untersuchte er die Wagen. Falkenhayns Leiche befand sich im rechten Auto, einem Mercedes neuerer Bauart. Sie lag in den Teppich gewickelt im rückwärtigen Bereich des Wagens. Ein Teil des Teppichs war verrutscht, und Parker schaute direkt in Falkenhayns blutverschmiertes Gesicht. Noch immer schien ein feines Lächeln auf den toten Lippen zu liegen.
Parker drehte sich um und widmete sich dem anderen Fahrzeug, einem in die Jahre gekommenen Landrover. Überrascht hörte er, wie jemand eine Tür des Wagens öffnete, und sah, wie Zoé auf den Fahrersitz rutschte. Sorgfältig überprüfte sie das Handschuhfach und die Sitzunterseiten. Erst nachdem sie die Sonnenblenden abgesucht hatte, schien sie zufrieden zu sein. Mit einem freudigen Strahlen lehnte sie sich aus dem Rover. „Los, einsteigen, ich habe den Schlüssel gefunden.“
Der Motor heulte laut auf, und Parker kletterte auf den Beifahrersitz. Ruckelnd verließ das betagte Gefährt seine Heimstatt. Zoé ließ die Scheinwerfer aufflammen, und vor ihnen erstreckte sich ein schmaler, vereister Waldweg, der hinab in die Finsternis führte. Der Weg war kaum breiter als der Wagen, aber der Fahrerin machte das offenkundig nicht viel aus. Ungerührt steuerte sie den Landrover über den unbefestigten Weg den Berg hinunter. Immer wieder korrigierte sie gelassen die Spur des schweren Wagens, bremste abrupt oder gab plötzlich Gas, um einem Stein auszuweichen oder das schlingernde Fahrzeug wieder auf Kurs zu bringen. Parker wurde im Wageninneren hin und her geworfen und sah den Wagen mehrfach vom vereisten Weg abkommen und in die Tiefe stürzen. Doch Zoés gefühlvolle Lenkweise und die Ketten an den Reifen hielten sie auf der Strecke.
Er fasste in seine Jackentasche und fand beruhigt den Schlüssel des Jaguars. Wenigstens würden sie mit einem komfortablen und schnellen Gefährt nach Frankreich reisen, dachte er, auch wenn er sich keinen Illusionen hingab. Zoé und er hatten bisher ein unvorstellbares Glück gehabt – das kaum ewig anhalten würde. Die Bretagne war ihre letzte Chance, um die Verschwörung um das Bernsteinzimmer aufzudecken und einen Ausweg zu finden.
Er rieb sich die Stirn. Ihr Leben hing ab vom Besuch bei einer alten Dame, die wahrscheinlich schon auf die neunzig zuging. Ihm wurde mulmig zumute.
Kapitel 36
Die Maschine der Lufthansa war verspätet um 23:47 Uhr in München gestartet und flog über eine dichte Wolkendecke in nördliche Richtung. Im Innenraum ließ die Stewardess ihren Blick prüfend über die Köpfe der Passagiere schweifen. Der Inlandsflug war ausgebucht: Geschäftsleute, Anwälte und Unternehmensberater füllten die Sitzreihen mit ihren dunklen Anzügen. Nur der ältere Reisende ganz vorne auf dem begehrten Sitz 1A hob sich mit seinen Jagdklamotten und den dicken schmutzigen Lederstiefeln deutlich von der blauschwarzgrauen Menge ab.
Während sie ihm ein Glas Rotwein einschenkte, schaute er kurz auf, und
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