Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
bisschen eingerostet, aber wenn du möchtest, kümmere ich mich darum.“ Er räusperte sich. „Ich werde den Verräter finden.“
Was ist bloß aus dir geworden, Fritz, sinnierte Thalberg, als er den jungen, akkuraten Wehrmachtsoffizier musterte, der auf der alten Aufnahme ernst und stolz neben ihm stand.
Lächelnd, aber ohne jeden Frohsinn drehte er sich wieder zu Falkenhayn um. „Danke für deine Hilfe, Fritz. Aber ich glaube, wir beide kennen den Verräter schon.“
Fritz atmete aus. Er schien fast erleichtert über die anklagenden Worte zu sein. Thalberg sah, wie die knöchrigen Finger seines alten Weggefährten ziellos durch das zerfurchte Gesicht streiften. „Carl, ich bin dein Freund. Wir beide kämpfen für die gleiche Sache.“ Falkenhayn sah ihn durchdringend an. „Ich habe dich nicht verraten.“
Thalberg setzte sich auf einen weiteren Stuhl, Falkenhayn direkt gegenüber. „Doch, Fritz. Du hast Informationen gestreut über die Operation Sonnenuntergang. Es dürfte zwischen New York und Moskau mittlerweile wohl keinen Geheimen mehr geben, der nicht von dem Gerücht gehört hat, dass das Bernsteinzimmer an einem verborgenen Ort in Westdeutschland versteckt gehalten wird. Selbst die Bundesregierung geht davon aus, dass es wieder aufgetaucht ist.“ Thalberg hatte eine Reaktion von Falkenhayn erwartet, aber der saß mit eingefrorener Miene vor ihm – nur in seinen Augen funkelte eine Abneigung, die er noch nie zuvor bei ihm beobachtet hatte. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, fuhr Thalberg fort: „Und du hast es nicht bei Andeutungen belassen. Nein, ganz im Gegenteil. Offenkundig wolltest du den Druck auf mich erhöhen und hast ein Mädchen mit Details versorgt.“ Er hatte seine ganze Verachtung in das Wort Mädchen gelegt. „Ich nehme an, es handelt sich dabei um eine Journalistin oder so etwas Ähnliches. Was sollte sie für dich tun, Fritz – einen Artikel über die wahre Geschichte des Bernsteinzimmers schreiben?“ Er schnaufte verächtlich. „Mit einem Foto von euch beiden, wie du ihr furchtlos mit Fackel und Maschinenpistole in einem dunklen Gewölbe den Weg zum Versteck des sagenumwobenen Preußenschatzes bahnst?“ Er lachte laut und eisig auf. Auf dem Schreibtisch fiel ihm ein bis zum Rand gefülltes Glas Wodka auf. „Darf ich?“, sagte er, während er schon nach dem hochprozentigen Getränk griff.
„Willst du Rotwein dazu?“, fragte Falkenhayn.
„Es wird auch ohne gehen.“ Thalberg trank und reichte ihm das halb geleerte Glas. „Trink, Fritz!“
Der nahm das Glas und behielt es in der Hand. „Seit wann weißt du es?“
„Seit eben.“
„Du hättest nicht kommen sollen.“
„Doch. Trink endlich!“
Falkenhayn nahm einen Schluck. Nicht viel.
„Fritz, warum?“
Falkenhayns Augen hellten sich auf und durchbohrten Thalberg plötzlich wie zwei scharfe Bajonette. „Carl, du musst die gottverdammte Operation sofort stoppen!“
Thalberg hatte mehr und mehr den Eindruck, einen angeschossenen Wolf vor sich zu haben. Er musste vorsichtig sein. Wenn er nur die kleinste Schwäche zeigte, könnte die Situation unkontrollierbar werden. Blitzartig schlug er Falkenhayn mit dem rechten Handrücken ins Gesicht. Der wich nicht einen Zentimeter zurück und zuckte nicht mal mit der Wimper – nur ein wenig Wodka schwappte über den Rand des Glases und tropfte auf seine Hose.
„Ich bin der Kommandeur. Ich befehlige die Operation Sonnenuntergang“, sagte Thalberg scharf. „Und du wirst mir den Gehorsam nicht verweigern!“ Er schaute ihm prüfend ins Gesicht. Der Schlag war nicht mit voller Härte geführt worden und daher ohne erkennbare Verletzungen geblieben – aber in Falkenhayns trüben Pupillen sah er, wie ihre ewige Freundschaft zerbrach.
„Du überschätzt dich gewaltig“, sagte Falkenhayn ruhig. „Die Operation führt ins Verderben. Sie ist der wahre Verrat an all dem, an das wir geglaubt haben.“ Sein rechter Zeigefinger stand drohend vor Thalbergs Augen. „Das Bernsteinzimmer darf Deutschland niemals mehr verlassen. Niemals!“ Sein Gesicht war rot angelaufen, und Schweiß bedeckte den nahezu kahlen Schädel. „Carl, du musst völlig wahnsinnig geworden sein, wenn du es wirklich an die Russen verkaufen willst.“
Verständnislos schaute Thalberg seinem alten Kameraden ins Gesicht. Wie konnte er ihm nur vorwerfen, wahnsinnig zu sein? Was für eine Anmaßung nach all seinen eigenen Verfehlungen! Voller Groll sagte er: „Es ist nicht wahnsinnig, Deutschland zur
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