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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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auftauchen, den sie bald erreichten.
    Der Junge mit dem Hund hatte Recht behalten: Der alte Kiesgard war bereit, sie für einen kleinen Obolus in seiner Scheune schlafen zu lassen und stellte ihnen sogar einen Krug Ziegenmilch hin. Bequem war das Strohlager nicht, aber allemal besser, als in Sanjorkh zu übernachten. Käfer gab es in der Scheune zwar auch, aber die waren nur so groß wie Cepheis Daumennagel.
    Am nächsten Morgen wachten sie allerdings beide bedeckt mit Flohstichen auf, die fürchterlich juckten und Cephei fast in den Wahnsinn trieben. Die Schusterstochter hätte vielleicht auch dagegen eine Salbe gehabt, aber sie war leider nicht hier, sondern schwatzte daheim wahrscheinlich gerade mit dem angeberischen Sohn des Bäckers. Kratzend und fluchend setzten sie ihren Weg fort.
    Sanjorkh wurde in ihrem Rücken immer kleiner, bis sie die dunkle Wolke irgendwann nur noch erahnen konnten. Cephei
versuchte sich einzureden, es wären ganz normale Regenwolken oder Hochnebelfelder, denn die unheimliche Ruinenstadt mit ihren Riesenkäfern und Nagern wollte er so schnell wie möglich vergessen. Ohne sie wäre Urs noch bei ihnen.
    Wenn sie Leute trafen, Bauern und Knechte, die ihre Felder voll fremder Getreidesorten und weißer armlanger Rüben bestellten, oder auch leutselige Reisende, sagte Cephei zum Abschluss immer: »Wenn euch ein sprechender Bär begegnet, der nach uns fragt, dann sagt ihm, dass wir hier entlanggekommen sind.«
    Manchmal ritzte er auch Kreuze in die Rinde von Bäumen am Straßenrand, die Urs leicht entdecken konnte, in der Hoffnung, eines Morgens würde er aufwachen und der Bär säße neben ihm.
    Aber das passierte nie. Vielleicht focht Urs noch immer gegen Herrn Solbert. Dreieinhalb Wochen waren noch lange nicht um.
    Nachts stahlen sie manchmal von den Vorräten eines Bauern, wenn dieser keinen Wachhund hatte, weil das Geld immer knapper wurde und sich auch nicht jeder Bauer freute, zwei Kinder zu sehen, die nach Essen fragten. Auch wenn Cephei inzwischen gut mit dem Dolch umgehen konnte und viel mutiger geworden war, seit er Sanjorkh durchquert und dem widerlichen Käfer getrotzt hatte, ein geworfener Dolch war meist zu langsam, um wilde Tiere zu erlegen. Ihnen fehlte Urs’ Armbrust.
    Beim ersten Diebstahl war Vela ganz starr vor Schreck gewesen, weil sie gedacht hatte, der Bauer würde sie jeden Moment erwischen. Aber in solchen Dingen hatte Cephei ein bisschen Erfahrung, schließlich hatte er sich in Dorados Vorratskammer auch nie erwischen lassen.
    »Ich kann nicht glauben, dass ich da mitgemacht habe«, flüsterte
sie am Lagerfeuer - und dann biss sie in einen Laib frisches Brot, der kurz davor noch einem dicken Mann gehört hatte, der sie von seinem Hof gejagt hatte.
    »Wenn der König uns belohnt hat, kannst du dem Mann ja Geld für das Brot schicken«, lachte Cephei, worauf Vela nachdenklich das Brot sinken ließ. Unbeabsichtigt hatte er sie an ihren Vater erinnert, dabei versuchte er das sonst doch zu vermeiden.
    Häufig sah sie traurig in die Ferne und reagierte nicht, wenn er sie ansprach. Cephei war sicher, dass sie dann immer an ihn dachte, und das war schon oft genug. Trotzdem riss er noch einen Kanten Brot ab und reichte ihn ihr. »Hier.« Seine Wut war nicht mehr so groß, denn es war schwierig, wütend auf jemanden zu sein, wenn dieser Jemand der Einzige war, den man hatte.
    Vor dem Einschlafen vertrieb sich Cephei die düsteren Gedanken mit allerlei Geschichten, die er in seinem Kopf ersann. Er stellte sich vor, wie er einen Wegelagerer besiegte, dann zwei oder gar drei, und Vela aus ihren Händen rettete, die stets dankbar und fürchterlich beschämt war wegen ihres Verrats. Einen Kampf gegen den Klippengeier malte er sich nur selten aus; er konnte nicht an den Vogel denken, ohne zugleich eine hässliche Hexe in flatternden schwarzen Kleidern an seiner Seite zu sehen. Und es war schwer, sich auszumalen, wie er sie besiegte.

    Eine Woche lang folgten sie dem Raumgeist, und allmählich veränderte sich die Landschaft. Die Bäume standen nun dichter, sie durchwanderten weite Grasebenen und nicht nur das Land, sondern auch die Menschen wurden freundlicher.
    Viele hatten hier dunkleres Haar, und manch schwarzer Schopf schimmerte fast bläulich in der Sonne. Die Leute waren
gesprächiger als die meisten nördlich des Rauschwalds, sie redeten mit großer Geste und Mimik.
    Ihre Häuser waren hell, die Dächer aus geschecktem Stroh, und viele Türen knallrot oder leuchtend grün

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