Der Königsschlüssel - Roman
krieg ich ständig deine Ellbogen ab. Dieser Unterschlupf ist nicht groß, falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte!«
»Es tut mir leid, es ist nur …«
»Was?«
Wieder dieses tiefe Seufzen.
»Zum Henker noch mal, jetzt spuck es schon aus!«
»Ich glaube, ich muss dir etwas sagen.«
Das klang nicht gut - es war genau der gleiche Tonfall, den Equu immer angeschlagen hatte, wenn er Cephei beichten musste, dass er sich von seiner Ration Essen genommen hatte, weil Dorado zu geizig gewesen war.
»Hast du etwa was von den Vorräten genommen, ohne es mir zu sagen? Ehrlich, Vela, das ist …«
»Nein, das ist es nicht.«
»Was dann?«
Lange schwieg sie, dann erzählte sie ihm stockend von ihrem Gespräch mit Serpem, und wie sie wirklich zu den Raumgeistern gekommen war. Während sie berichtete, wurde er zunehmend wütender.
»Ich kann es nicht fassen, dass du uns das verschwiegen hast!«, schrie er. Er bebte vor Wut. »Noch eine Hexe! Wie sollen wir denn den Schlüssel von einer Hexe zurückgewinnen? Und jetzt fehlt auch noch Urs.«
»Es tut mir leid. Ich hätte etwas sagen müssen …«
Vor lauter Zorn konnte Cephei gar nicht weiterreden, er dachte an Sanjorkh und daran, welche Gefahren noch vor ihnen liegen mochten. Er wusste nicht, wovor ihm mehr graute.
»Wie konntest du nur mit einer Hexe Geschäfte machen? Das
ist verboten, und wenn das jemand erfährt, kannst du dafür in den Kerker kommen.«
Vela gab keine Antwort.
»Und ich gleich mit. Wird doch niemand glauben, dass ich davon nichts wusste.«
»Es wird niemand erfahren, versprochen. Ich werde keinem Menschen davon erzählen.«
Ja , dachte Cephei, weil die Hexe uns wahrscheinlich in Frösche verwandeln wird und anschließend röstet, und dann können wir das sowieso niemandem mehr erzählen .
»Cephei?«
Er schwieg eisern. Wenn es in der Nähe noch andere gute Verstecke für die Nacht gegeben hätte, wäre er unter dem Gebüsch hervorgeklettert und hätte Abstand zwischen sich und Vela gebracht. Glaubte sie etwa, er würde einfach so weiter mit ihr gehen, weil Sanjorkh ja nun hinter ihnen lag und er sicher nicht so schnell dorthin zurückkehren wollte?
Wäre er doch bei Urs geblieben.
»Es tut mir leid«, flüsterte Vela noch einmal in die Dunkelheit, bevor sie sich in die Decke einwickelte.
Cephei hatte nicht übel Lust, ihr zu sagen, dass sie ihn am Morgen zum letzten Mal sähe und dass er sich auf den Weg zurück nach Marinth machen würde, aber es kam ihm nicht über die Lippen. Irgendetwas hielt ihn davon ab.
Sie waren so weit gekommen. Er dachte an Dorado und an die Schusterstochter, die er vielleicht auch ein kleines bisschen beeindrucken wollte. Und daran, was er Equu sagen sollte, wenn der ihn nach seinen Abenteuern fragte. Mit leeren Händen zurückzukehren, würde einer Niederlage gleichkommen. Dann hätte er gar nichts erreicht. Er wäre immer noch der Junge, der
nur dazu gut war, Dorado in der Gaststube zu helfen und sich Backpfeifen einzufangen.
Aber war es das wirklich wert, sich mit einer Hexe anzulegen? War es schlimmer, bei Dorado zu bleiben, als ein Frosch zu werden?
Sein Verstand sagte nein, aber tief in seinem Bauch verspürte er dieses Gefühl, das wie ein Stein in ihm lag und nicht verschwinden wollte, wenn er an dieses Nein dachte. Vielleicht wäre es tatsächlich schlimmer, jetzt umzukehren. Trotzdem war er über Velas Verrat wütend und enttäuscht, und es dauerte lange, bis er einschlief.
JENSEITS DER RUINENSTADT
Am nächsten Morgen war Vela bereits wach, als Cephei die Augen aufschlug. Sie saß neben ihm, die Arme um die angezogenen Knie geschlungen, und beobachtete ihn. Ihre Augen waren rot und geschwollen, aber davon wollte er sich nicht erweichen lassen. Er war immer noch wütend.
In der Nacht hatte er wirr von Urs geträumt, der mit seinem Schwert auf eine Baumfaust einhackte, die Cephei schon in ihren Klauen hatte, während Vela und Serpem danebengestanden hatten und lachten - und dann war noch der Mechanische König mit dem Erdwühler auf dem Arm durch die Straßen von Sanjorkh gelaufen. Das hatte alles überhaupt keinen Sinn ergeben. Er mochte solche Träume nicht.
Schweigend rollte er seinen Mantel zusammen und steckte ihn in den Rucksack. Dann kroch er aus dem Gebüsch und lief los, weiter Richtung Süden, ohne sich umzudrehen. Nach wenigen Augenblicken hörte er, wie Vela hinter ihm herrannte. Sie packte ihn am Arm. »Warte doch!«
Er blieb stehen. »Was denn, Vela? Hast du vielleicht noch
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