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Der Koffer

Der Koffer

Titel: Der Koffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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hatte nicht gewusst, wer Bill McLaughlin ist. Er hatte nicht gewusst, wer Courtney Cox ist. Es hatte in seiner Eichel gekribbelt. Er lag in einem fremden Bett mit einer fremden Frau, vor Laufkundschaft, und er war erregt.
    Er hatte flach auf der Matratze gelegen und sich vorgestellt, eine verhängnisvolle Affäre mit Birne Helene zu beginnen. Sie würde sich in ihn verlieben, mit einerWildheit, einer unwiderstehlichen Wildheit. Sie würde sein Haus belagern, ihn vor der Tür abfangen, ihn im Fahrstuhl verführen … nein, lieber nicht im Fahrstuhl …
    Dass er ein Schlafnummer-Bett kaufen würde, stand jedenfalls fest.
    Haben Sie es gern hart?
    Helene hatte auf ihrer Bettseite zu wippen begonnen. Rhett hatte seine Erektion mit den Händen beschirmt.
    »Normale Personen wechseln sechzigmal pro Nacht die Lage«, hatte Helene gewispert. »Aber mit dem Schlafnummer-Bett merkt der Partner nichts. Da können Sie auch spät nach Hause kommen, ohne Ihre Frau zu wecken.« Sie hatte gekichert.
    »Hallo?«
    Rhett schreckt aus seinen Träumen auf. Der Grizzly steht vor ihm.
    »Wo soll das Bett hin?«
    »Dort.«
    »Gutes Workout«, schnauft der Grizzly, der inzwischen noch viel stärker transpiriert. »Und sicher nachher gutes Trinkgeld.« Er lacht. Er haut Rhett auf die Schulter. »Nix für ungut.«
    Rhett nickt. Er hat wieder was gelernt. Raubeinigkeit. Männerhumor. Verhandlungsgeschick. Die Art, wie ihn der Grizzly berührt. Es sind Dinge wie diese, die Rhett beeindrucken.
    Manieren hat er selbst. Bildung hat er selbst. Wenn jemand mehr weiß als er, was selten vorkommt, macht er ihn zu seinem Werkzeug, benutzt ihn als Lexikon. Aber einen Stammeshäuptling, einen Raubtierjäger,einen Möbelpacker erkennt Rhett als seinen natürlichen Vorgesetzten an. Er bewundert ihn offen, würde ihm distanzlos folgen, von ihm lernen wollen, was ihm selbst nicht gegeben ist. Trinkgeld ist das Mindeste.
    Der Grizzly balanciert die in Folie verschweißte Expended-Queensize-Matratze für 2999 Dollar zur bezeichneten Stelle. Den Ferrari unter den Matrazen, wie Birne Helene gesagt hatte. Der Grizzly reißt die Folie auf. Er kratzt sich geräuschvoll am Kopf. Er studiert die Montageanleitung. Er beginnt mit der Installation.
    »Wo ist der Mülleimer?«, fragt er und stockt.
    »Rhett? Rhett-ist-nett, bist du’s?« Rhett erschrickt bis auf die Knochen. Er denkt sich Haar auf den Quadratschädel. Er denkt sich den Bart weg. Er denkt sich den Stimmbruch weg. Kein Zweifel. Vor ihm steht Bud Brown!
    Während der Schulzeit war es seine Fantasie gewesen, Feinde zu verprügeln, mit Karate, mit Judo, mit grausamen Folterinstrumenten, mit jedweder Form von roher körperlicher Kraft, sie zu demütigen, zu verstümmeln, blutig zu hauen, in die Flucht zu schlagen, restlos zu besiegen. Davon träumte Rhett, wenn er im Sportunterricht auf der Verliererbank saß, weil niemand die schlaksige Waise in der Mannschaft haben wollte.
    »Was ihr nur habt«, sagte einmal ein Lehrer, »Rhett ist doch nett!« Das sollte fortan sein Spitzname sein, Rhett-ist-nett, für viele lange Kindheitsjahre.
    Big boys don’t cry .
    Mit zwölf war es ihm gelungen, einen Leibwächter zu engagieren. Im Austausch für den täglichen Apfel und das hart gekochte Ei vom Waisenhaus hatte Bud Brownjeden verdroschen, auf den Rhett zeigte. Für die glücklichen zwei Monate, die Brown auf der Schule verblieb, war Rhett kein Opfer gewesen.
    Ein kurzer Triumph. Einen Tag nach Browns Rauswurf sperrten die Klassenkameraden Rhett in eine Holzkiste. Er saß dort in seiner Kotze, in seiner Pisse, in seiner Scheiße, ohnmächtig, mit blutig geschlagenem Kopf, als ihn der Hausmeister nach vierundzwanzig Stunden fand. Damals fing es an, dass Rhett sich vor allem ekelte.
    Und nun steht Bud Brown vor ihm, immer noch Sinnbild der Körperkraft, und Rhett ist nach wie vor der, der seine körperlichen Kräfte mietet. Er ist bleich geworden unterm Blick des Grizzlys. Er räuspert sich.
    Er sagt heiser: »Nein.«
    Sonnie findet den Fahrstuhl verschlossen. Ein Schild mit chinesischen Schriftzeichen hängt davor. Gong scheint seinen freien Tag zu haben. Sie steigt sechs Stockwerke hoch, Stufe um Stufe. Sie muss mehrmals pausieren. Auf jedem Stockwerk sind Sweatshops von J. C. Penney. Sonnie geht an offenen Türen vorbei. Sie hört das Schnattern von Chinesen, das Rattern von Nähmaschinen. Ihr kommen mehrere mit Stoff bepackte Chinesen entgegen, die ihr »Hi« nicht erwidern.
    Sie durchquert das Loft, in dem

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