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Der Koffer

Der Koffer

Titel: Der Koffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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Ich hab mir die Pulsadern aufgeschnitten. Er sollte mich finden. Ich wollte ihn haben. Das weiß ich noch. Ich wollte ihn haben und hab ihn nicht gekriegt.«
    »Ja, Habenwollen. Immer dieses Habenwollen. Haste denn den Windhund?«
    »Ich weiß nicht. Ich bin so durcheinander. Gestern hatte ich das Gefühl, dass ich ihn habe. Es war … ich weiß auch nicht … wir hatten … entfesselten Sex. So was hab ich noch nie erlebt. Ich weiß sowieso gerade nicht, was los ist. Die Nacht vorher hatte ich Sex mit Clooney, und danach mit diesem Schwarzen.«
    Chola verschluckt sich und hustet, bis ihre Augen hervortreten.
    »Warte warte warte«, ruft sie. »Sag das noch mal.«
    »Hast schon richtig gehört.«
    »Du hast drei Männer hintereinander …«
    »… gefickt«, sagt Sonnie und empfindet über dem Aussprechen des schlimmen Worts Genugtuung. Anders kann man das nicht nennen. Gefickt. Gefickt. Gefickt. Sie ist gar nicht verklemmt. Sie fickt, was das Zeug hält. Und sie steht dazu.
    »Und nicht nur das.« Sonnie fühlt sich verrucht. »Clooney ist Rhetts Sohn. Ich hatte was mit Rhetts Sohn.«
    Als ob sie das gewusst hätte. Als ob sie das geplant hätte.
    »Waaas? Das Fohlen mit den Schlitzaugen? Das ist Rhetts Sohn? Das ist Clooney? Mit dem hast du …?«
    »… gefickt«, sagt Sonnie.
    »Wow«, sagt Chola. »Hätt ich dir nicht zugetraut. Meinen Arsch hätt ich verwettet …«
    Sonnies Hochgefühl ist wie weggepustet. Sie ist nicht verrucht. Sie ist schwanger.
    In der Ferne schreit ein Baby. Der Schrei fährt in Sonnies Bauch. Sie sollte nicht mehr rauchen. Sie sollte nicht mehr trinken.
    In ihrem Zustand.
    »Leben deine Eltern noch?«
    Chola schüttelt den Kopf. »Mein Vater war Fernfahrer. Aus Buenos Aires. Da bin ich auch aufgewachsen. Der Alte hat sich totgesoffen. Da war ich fünfzehn oder so. Meine Mutter war ’ne russische Adlige. Verarmt natürlich. Sie ist dann mit uns hergekomm. Zum siebzigsten Geburtstag ham wir der alten Schnalle ’ne Kreuzfahrt gekauft. Sie ist über die Reling gefallen. Im mottenzerfressenen Nerz. Mit ’m Champagner-Glas in der Hand. Bei Vollmond.«
    Chola lispelt nicht nur, sie fängt auch an zu lallen.
    Illustre Tode, denkt Sonnie. Rhetts im Auto geköpfte Mutter. Cholas im Nerz ertrunkene Mutter. Und was hab ich? Was ist meine tragische Geschichte? Der Tod des Großvaters, an Altersschwäche, im Krankenhaus.
    »Hast du Geschwister?«
    »Zwei jüngere Bruder, ’n Nichtsnutz und ’n Tunichtgut.«
    »Hat eure Mutter euch geliebt?«
    »Nee. War enttäuscht von uns: ’n Nichtsnutz, ’n Tunichtgut, ’ne Spinnerin.«
    Für nüschte.
    »Ich glaube nicht an Liebe zwischen Verwandten«, sagt Chola. »Ich glaub an Wahlverwandtschaften. Man sieht sich, man riecht sich und – bums. Warste mal in Reich der Sinne ?«
    »Wo?«
    » Im Reich der Sinne , kennste den Film nicht? Wo die beiden sich zu Tode vögeln?«
    Rhett auf dem Boden. Der zerrissene BH. Flirrende Nachmittagssonne. Sein Handabdruck auf ihrem Gesicht. Ihr Veilchen.
    »Und wo sie ihm zum Schluss den Schwanz abschneidet?«
    »Genau. Aus Lust. Weil sein Schwanz ihr gehört. Kann ich voll verstehn. Der Typ musste mir nur die Hand auf die Titte legen, und ich hatte ’nen Orgasmus.«
    »Ich hatte immer nur versehentlich einen.«
    »Versehentlich?«
    »Wenn Männer an diesen geheimen Punkt kommen, den ich selbst nicht kenne.«
    »Du kennst ihn selber nicht?«
    »Wieso wiederholst du alles, was ich sage?«
    »Wieso ich alles wiederhole, was du sagst?«
    Sonnie gibt Chola einen Schubs. Chola lacht gutmütig.
    »Sag mal, Sonnie, wie viele Kerle hattest du eigentlich?«
    War Vati dein einziger Mann?
    »Das hat mich Rhett auch mal gefragt.«
    »Und?«
    »Ich hab mich schrecklich aufgeregt. Wenn du denen einmal eine Zahl in die Hand gibst, egal welche, drei, dreißig, dreihundert, dann wird diese Zahl von da an immer in Klammern hinter deinem Namen stehen.«
    »Na und?«
    »Kann diesen oder jenen Effekt haben.«
    »Na und?«
    »Jedenfalls hab ich’s ihm nicht gesagt.«
    »Ich hatte bestimmt fünfhundert. Schätzung.«
    »Ich hab dich zwar nicht gefragt, aber … Respekt.«
    »Ach, so viel is das gar nich. Das wäre nicht mal zwei Jahre lang jede Nacht ’nen anderen.«
    »Hi, Mädels.« Vor ihnen zeichnet sich Ezekiels Silhouette gegen den Nachthimmel ab.
    »Hey, Babe«, ruft Chola und umarmt den Penner.
    Sonnie hebt nur müde die Hand.
    »Habt ihr ein Bier für einen alten Wanderer?«
    Chola nestelt die letzte Dose aus ihrem Sixpack. Sonnies

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